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und das sogenannte Prinzip der Mündlichkeit.
auf überwundenem Standpunkte stehen kann, so unterliegt dieselbe stets
der Auffassung des Richters selbst., Sie ist also in Gefahr, anstatt
einer objektiven oder einer dem Sinne der Vortragenden Partei ent-
sprechenden Fixirung des Vortrages vielmehr ein vom Standpunkte des
Richters aus betrachtetes Bild des Vortrages wiederzugeben. Die Be-
nutzung der eignen Aufzeichnung des Richters bei der Urtheilsfassung
entspricht also wenigstens nicht dem Grundsätze der Unmittelbarkeit.
Größere Unmittelbarkeit gewährt die Benutzung der Aufzeichnung der
Partei selbst. Dem Richter, welcher den schriftlichen Parteiantrag nicht
erwarten darf, wird es in den meisten Fällen ein Bedürfnis sein,
zur Unterstützung seines Gedächtnisses die wesentlichen Momente des
mündlichen Vortrags urkundlich zu fixiren. Diese seine Aufzeichnung
wird der Richter stets als eine objektive betrachten und der Urtheils-
fassung zu Grunde legen. Soll die daraus für die Echtheit der Un-
terlage des Urtheils entstehende Gefahr beseitigt werden, so ist die Ueber-
reichung schriftlicher, von der Partei selbst formulirter Anträge, welche
die wesentlichen Moments des mündlichen Vortrages rekapituliren, ge-
boten. Der §. 341 des Preußischen Prozeßgesetzentwurfes spricht diesen
Grundsatz entschieden aus: „Anträge, welche nur mündlich gestellt sind,
dürfen mcht berücksichtigt werden/ Dieser gerade der Münduchkeit, d. h.
der Unmittelbarkeit der Information, entsprechende Grundsatz ist weit
davon entfemt, der schriftlichen Form ein Uebergewicht über die Münd-
lichkeit einzuräumen, denn der schriftliche Antrag findet seine Grund-
lage, also seine Erläuterung und seine Ergänzung in dem mündlichen
Vorträge. Die Notwendigkeit dieser schriftlichen Beurkundung haben
alle Prozeßordnungen und Entwürfe anerkannt, aber keineswegs für
dieses Bedürfniß gleich richtig gesorgt. Eine beklagenswerthe Blindheit
bezeugt der deutsche Prozeßgesetzentwurf, welcher dem Richter sogar die
offizielle Aufzeichnung des tatsächlichen Inhalts des münd-
lichen Parteivortrages, nämlich die Protokollirung desselben
überläßt, nicht einmal die Genehmigung der Partei vorschreibt, endlich
sogar die Protokollirung als Grundlage. für das Urtheil gelten läßt
.und sich dadurch nicht allein von der Mündlichkeit weit entfernt, sondew
auch die Garantie der Echtheit der richterlichen Information verkümmert.
Was die Protokollirung bedeutet, ist jedem Anwalt nur
zu bekannt. Sieist das Gegentheil der Verhandlungsmaxime,
Das Gegentheil der Mündlichkeit, sie ist.nur zu oft eine
ungerechte Nöthigung der Partei, auf Fälschung der Ver-
handlung berechnet.
Einen ferneren auf Aufklärung der Sache gerichteten Zweck hat
die schriftliche Aufzeichnung der Schlußanträge der Parteien für diese
selbst und solgewerse für die Information des Richters. Man darf sich
darüber nicht täuschen, daß häufig die Partei selbst nicht vollständig
klar ist über das, was sie eigentlich will; wenigstens nicht klar genug,
nm sich verständlich auszudrücken. In solchem Falle kann der Vortrag
den Richter nicht aufklären, sondern giebt ihm unlösbare Räthsel auf.
Dieser Unklarheit der Partei wird sofort ein Ziel gesetzt, sobald die
schriftliche Auszeichnung des Antrages die Partei zwingt, sich ihrer Un-