Full text: Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege in Preußen (Bd. 3 (1869))

24 von Mittelst a edt: Die Form der Mündlichkeit und Schriftlichkeit
Von dem Standpunkte dieses Aufsatzes werden wir uns für fol-
genden Grundsatz entscheiden: Das Vorverfahren hat die Be-
deutung, die Information der Parteien zu einer sach-
gemäßen sicheren Information des Richters zu beschaffen.
Die Obligation, welche das Vorverfahren herbeiführt, ist
die: daß die Parteien sich verbindlich machen, einander nicht
über den Kreis derjenigen Vorbereitung, zu welcher das Vor-
verfahren Veranlassung aiebt, in der mündlichen Verhand-
lung hinauszuführen. Ob die Grenzen dieses Kreises innegehalten
sind, und das Überschreiten dieser Grenzen eine Einschränkung der
mündlichen Verhandlung berechtigt erscheinen läßt, das sind HnacstioE
facti, die der Richter zu entscheiden hat. Damit ist die Stellung
des Vorverfahrens zur mündlichen Verhandlung und seine
Bedeutung für dieselbe festgestellt.
Folgende Grundsätze sind für das Vorverfahren zur Geltung zu
bringen:
a. Die regelmäßige Form des Vorverfahrens soll schrift-
lich sein: die Arbeit der Sammlung des Materials erfolgt regelmäßig
in Abschnitten, läßt also die Einbeit der Verhandlung regelmäßig nicht
zu; Aufzeichnungen sind nothwenoig, um den Parteien das nach und
nach zusammengetragene Material gegenwärtig zu erhalten. Da die
möglichst genaue Vorbereitung der Partei der Vollständigkeit und Sicher-
heit der aus ihr hervorgehenden richterlichen Information dient, und da
die schriftliche Form der Information der Parteien die Genauigkeit ihrer
Vorbereitung unterstützt, so ist diese Form des Vorverfahrens in der
Regel die richtige. Ein zweiter Vorzug dieser Form besteht darin, daß
die Schriftsätze einen Beweis für die genügende Information des
Gegners und auch in vorkommenden Fällen für eine chikanöse Art der
Prozeßführung liefern.
d. Der Richter muß aus dem Vorverfahren unbedingt

Klagers in der Sitzung zur Erläuterung und Ergänzung des that-
sächlichen Inhalts der Klage vorgetragenen Thatsachen als richtig an-
zunehmen. Wenn jedoch die Richtigkeit der in der Klage oder in der Sitzung vor-
getragenen Thatsachen dem Gerichte bedenklich erscheint, so ist dasselbe befugt, den
Kläger zur Beweisantretung aufzufordern." Es wird eine „Monstrosität" ge-
nannt, daß hiernach die „Fiktion" der Wahrheit der Klagebehauptungen werter
gehe, als die Auslassung erwartet werden könne, nämlich über die zur Kemttmß des
Verklagten gebrachten Behauptungen hinaus. Die Ausführung des Textes zeigt die
Differenz der Meinungen. Der preußische Entwurf steht auf dem Standpunkte dieses
Aussatzes. Es ist nicht richtig, daß der s. g. substantiirte KLagelibell die Kenntniß
des Verklagten von dem gegen ihn geltend gemachten Ansprüche erschöpft; der Ver-
klagte bedarf vielleicht nur einer Andeutung, um so vollständig informirt zu sein,
daß er die Fruchtlosigkeit jedes Widerspruches einsieht. Ferner ist von einer Fik-
tion überhaupt keine Rede, wenn der Richter die Bedenken gegen die Wahrheit der
Thatsachen erwägen soll. Die gerügte Monstrosität findet sich aber rm
§ 25 oer Verordnung vom 1. Juni 1833 (§. 27 d. V. v. 24. Juli 1849
und vom 24. Juni 67), welcher alle in der mündlichen Verhandlung
noch zulässigen Anführungen gegen den indefensus vor Mittheilung
an denselben als wahr fingrrt, also den Indefensus der kühnsten Er^
findungsgaöe seines Gegners schutzlos preisgiebt.

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