Volltext: Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege in Preußen (Bd. 3 (1869))

240 von Mittelstaedt: Die Form der Mündlichkeit und Schriftlichkeit
rung der ist, daß das Faktum als zugestanden der richterlichen Kognition
entzogen bleibt, oder ob der Erfolg der ist, daß das Fakum kraft der
legalen Beweistheorie als vollständig bewiesen und darum jeder weiteren
Prüfung entzogen dem Richter übergeben wird. Sehr geändert wird
aber die Sache durch Anerkennung des Grundsatzes der freien Beweis-
würdigung. Als Beweismittel unterliegt alsdann der Eid in Beziehung
auf seine'Wirksamkeit der freien richterlichen Prüfung, und da ein Eid,
welcher für die Ueberzeugung des Richters einstußlos ist, gar nicht ab-
geleiftet werden soll, so gehört dem Richter auch die Frage, ob der Eid
zu leisten sei? Nur in dem Falle des juramentum voluntarium bleibt die
Privatwillkür bestehen; sobald dagegen die Eideszuschiebung angefochten
wird, ist dieselbe lediglich Beweisantrag, und die Zulässigkeit und Wirk-
samkeit des Eides der richterlichen Prüfung unterworfen.
Aber wenn dem Richter das Recht zugesprochen wird, zu bestim-
men, ob ein zugeschobener Eid zu leisten sei oder nicht, so hört das
Recht der Eideszuschiebung mit der Wirkung des Zwanges zur Ableistung
oder Zurückschiebung auf; und je mehr das Edikt des römischen Prätors:
„aut juraro aut solvere cogam“ zu einer Art juristischen Glaubens-
satzes erhoben ist, desto unmöglicher scheint die Trennung von diesem
Grundsätze. Man wird einwenden, daß der Partei das größte Unrecht
geschehe, wenn ihr nicht das Recht gegeben fei, die gewissenhafte Ant-
wort des Gegners zu begehren, dem Gewissen des Gegners die Ent-
scheidung des Streites selbst anzuvertrauen; man wird einwenden, daß
kein Zwang darin liege, daß die Partei den Gegner in die allergünstigste
prozessualische Lage versetzt, selbst als Richter in eigener Sache zu ent-
scheiden; 'daß der Gegner, wenn er die Entscheidung durch seinen Eid
verweigere, dadurch offen dokumentire, daß er Unrecht habe. So un-
gefähr argumentirt auch Paulus: manifestae turpitudinis et confes-
sionis est, nolle nec jurare nec jusjurandum referre.
Es giebt viele Fälle, in denen es der Natur der Sache nach
nicht möglich ist, einen Beweis vorher zu sichern. Sollen alle diese
Fälle zu Gunsten des Verklagten ausfallend Soll es im Belieben des
Verklagten liegen, den Kläger durch einfaches wahrheitswidriges Abläug-
nen des Fakti seines Rechtes zu berauben? soll dem Kläger nicht ein-
mal das Recht zustehen, den Verklagten durch Eideszuschiebung zur Aus-
sage der Wahrheit zu drängen? Diese Fälle scheinen die Nothwendigkeit
eines Zwangseides zu beweisen; denn in der That ist das Zugeständniß
dessen, der sich auf diesen Modus, die Wahrheit zu Tage zu fördern,
nicht einlassen will, in solchen Fällen wohl einleuchtend. Aber man be-
trachte andere Fälle.
Ein Prokurist und Handlungsgehülfe eines Kaufmanns hat den Ver-
kauf bestimmter Artikel Jahre lang selbstständig geleitet, als sein Prin-
zipal plötzlich einer großartigen fortgesetzten Unterschlagung auf die Spur
kommt und das vertrauensvolle Verhältniß in einen Prozeß umwandelt.
Der verklagte Prokurist wird trotz Leugnens durch Beweise überführt.
Es handelt sich nach diesen Erfahrungen noch um einige Posten, deren
vor circa 6 Jahren erfolgte Zahlung der Verklagte behauptet, obgleich
weder die Handlungsbücher des Klägers noch die Rechnungen des Ver-

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