Full text: Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege in Preußen (Bd. 3 (1869))

12 von Mittelstaedt: Die Form der Mündlichkeit und Schriftlichkeit
Diese Unmittelbarkeit der Information ist zwar regelmäßig wün-
schenswerth, doch kann es gleichwohl Fälle geben, in denen die münd-
liche Information des Richters überflüssig und in denen dieselbe nicht
zn erreichen ist. Die Zweckmäßigkeit wird über das Maaß der An-
wendung entscheiden.
Die Schrift ist nicht allein Surrogat der Sprache, sondern sie ist
zugleich das natürliche Mittel zur Fixirung und Beurkundung des Wortes
und als solches im Prozesse ebenso unentbehrlich wie im Leben. Un-
bedingt geboten ist die Schriftlichkeit deshalb in allen Fäl-
len, in denen die Nothwendigkeit einer Beurkundung an-
zuerkennen ist. Unbedingt geboten ist die Schriftlichkeit der Klage:
Der Verklagte ist abwesend und wird möglicherweise abwesend bleiben.
Abgesehen selbst davon, daß für den Verkehr zwischen Abwesenden die
Schrift das natürliche Mittel ist, so bedarf es der Schriftlichkeit zur
urkundlichen Feststellung der geschehenen Mittheilung der Klage, welche
für den Fall des Ausbleibens des Verklagten Bedingung jeder Verhand-
lung, namentlich der Kontumazialverhandlung, ist. Unbedingt geboten
ist ferner die Zulassung der Urkunden als Beweismittel. Die Urkunden
sind aber nichts Anderes, als schriftliche Aufzeichnungen von Verhand-
lungen der Parteien oder Dritter, respective schriftliche Zeugnisse Dritter.
Unbedingt geboten ist ferner die Beurkundung des Richterspruches, so-
fern ihm zwangsweise eine Folge gegeben werden soll. Dergleichen Fälle
sind also gar nicht disputabel
Eine gleiche Nothwendigkeit der Schriftlichkeit tritt ferner zwar in
allen Fällen ein, in denen die Beurkundung dem Zwecke des
Prozesses dient, denn die Ermöglichung des Zweckes des Prozesses
ist die eigentliche Aufgabe des Prozeßgesetzes; wohl aber kann es zwei-
felhaft sein, ob die Schriftlichkeit, oder welches Maaß derselben dem
Zwecke des Prozesses diene? Und diese Frage folgt der Beurtheilung
der Zweckmäßigkeit.
Aber auch als Surrogat der Sprache ist die Schrift
häufig unentbehrlich, wie namentlich bei unerreichbaren Zeugen,
bei weitläusigen Gutachten. Die Zweckmäßigkeit entscheidet auch in
diesen Fällen über das Maaß der Anwendung der Schrift.
Eine prinzipielle Begrenzung der Mündlichkeit und der Schriftlich-
keit kann es auch in der That nicht geben, weil beide keine Prinzipien
sind. Beide sind Formen der Uebergabe des Prozeßmaterials an den
Richter; es wird sich also in jedem Falle fragen: Welche Form der
Uebergabe dient oder genügt dem Zwecke des Prozesses? in spodio:
welche Form der Uebergabe dient oder genügt dem besonderen Zwecke
dieser Uebergabe selbst, der möglichsten Sicherheit und Vollständigkeit
der richterlichen Information?

die eigene Rektifikation ihres Vortrages gar nicht aufhört. Wenn aber zwei
Menschen jeder in einer anderen Sprache sich unterhalten, so ist trotz
der Unmittelbarkeit ihres Verkehrs jedem Mißverständnisse die Thür
geöffnet. Deshalb ist die Vermittelung des Verkehrs durch Anwälte in der
Regel nicht zu entbehren.

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