Full text: Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege in Preußen (Bd. 3 (1869))

Vorwort.

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manche Unbehaglichkeiten im Gefolge hat und daß namentlich die große
Thätigkeit der Gesetzgebung nicht selten einen tumultuarischen und im-
provisirten Charakter annimmt. Diesen Uebelständen könnte, wie wir
glauben, wenigstens zum Theil abgeholfen werden, wenn die juristische
Literatur an der Besprechung der hier in Betracht kommenden Fragen
den ihr gebührenden Antheil nehmen wollte. Dies ist bisher nicht ge-
schehen. Abgesehen von einzelnen Partien hat man sich meist darauf
beschränkt, entweder sich auf den Standpunkt des positiven Rechts zu
stellen oder allgemeine politische Gesichtspunkte hervorzukehren. Keines
von Beiden aber ist ausreichend. Es bedarf vielmehr einer genaueren
Prüfung des bestehenden Rechts und namentlich des Privatrechts mit
Rücksicht auf die Bedürfnisse der Gesetzgebung, einer Revision desselben
de lege ferenda. Daß die Juristen hierzu vorzugsweise berufen sind,
scheint uns ebenso unzweifelhaft zu sein, wie daß sie durch eine solche
Arbeit wesentlich helfen würden, die Thätigkeit des Gesetzgebers vorzu-
bereiten und zu fördern.
Bei der Abfassung des Allgemeinen Landrechts ist fast die ge-
sammte juristische Intelligenz, welche die Nation damals zu Gebote zu
stellen vermochte, zu Hülse gerufen und um ihr Gutachten befragt wor-
den. Der gegenwärtigen Gesetzgebung fehlt in der Regel die Zeit zu
einem so umständlichen Verfahren. Die Gesetze werden meist von ein-
zelnen Männern oder im Schoße von Kommissionen entworfen und
treten zu Tage'erst in dem Augenblick, wo große politische Versamm-
lungen ein letztes Wort darüber zu sprechen haben. Daß dieses Ver-
fahren nicht immer ein gründliches sein kann, liegt auf der Hand. Und
wenn es häufig aus äußeren Gründen nöthig erscheinen mag, den
rascheren Weg einzuschlagen, so ist es gewiß doppelt wünschenswerth,
daß der offiziellen Berathung eine freie Erörterung vorhergehe und
jener, soviel möglich, das Material zubereite.
Wir haben den Wunsch, daß man unsere Zeitschrift als ein Feld
für derartige Diskussionen betrachten möge. Und zwar werden wir
uns hierbei nicht unbedingt an die Grenzen des Preußischen Staates
oder selbst des Norddeutschen Bundes binden, denn wenn auch diese
Gebiete vorzugsweise berücksichtigt werden sollen, so sind doch die meisten
hier einschlägigen Fragen in gewissem Sinne gemeinsame für ganz
Deutschland. Der Unterzeichnete wird daher alle Beiträge willkommen
heißen, die gesetzgeberische Bedürfnisse erörtern und den bestehenden
Rechtszustand in dieser Hinsicht einer Prüfung unterziehen, auch dann
wenn derartige Mittheilungen sich auf außerpreußische Länder beziehen,
sofern sich nur ein weiteres als bloß partikuläres Interesse daran knüpft.

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