Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 47 = 2.F. 11 (1904))

Zeitpunkt des Zugehens bei Willenserklärungen. 387
das „aus schon vorhandenen und bekannten Urteilsmaßstäben
heraus bestimmbar ist"^).
Natürlich kann der Besitzerwerb am Schriftstück immer nur
das M i n d e st erfordernis für das Zugehen darstellen. Hinzu-
kommen muß nach dem früher Gesagten noch, daß er in einer
Weise erfolgt, die den Empfänger bei regelmäßigem Ver-
lauf der Dinge in den Stand setzt, sich mit dem Inhalt des
Schreibens vertraut zu machen. Darin liegt gleichzeitig aus-
gesprochen, daß unter Besitz hier überall nur der unmittel-
bare Besitz zu verstehen ist. Denn dieser allein würde dem
eben aufgestellten Postulate Genüge leisten. Danach können
wir einer Definition des „Zugehens" für den Fall der schrift-
lichen Uebermittelung von Willenserklärungen die folgende
Fassung geben:
„Zugegangen ist eine Willenserklärung in dem Momente,
wo das sie enthaltende Schriftstück dergestalt in den Besitz
des Adressaten gelangt ist, daß dieser unter normalen ^Oer-
hältniffen ohne weiteres von ihrem Inhalte Kenntnis nehmen
kann."
Diese Begriffsbestimmung soll im Nachstehenden auf ihre
Konsequenzen, also auf ihre praktische Brauchbarkeit hin ge-
prüft werden.

II.
Da nach der hier aufgestellten Definition der Besitzerwerb
am Schriftstück für die Vollendung des Zugehens, wenn auch
noch nicht in jedem Falle ausreichend, so doch unter allen Um-
ständen erforderlich ist, so ist eine Willenserklärung so lange
nicht zugegangen, als der Adressat in den Besitz des sie ent-
haltenden Schreibens nicht gelangt ist. Dabei ist es für den
16) Das von Zitelmann, a. a. O. S. 104 gewiesene Ziel wäre
damit also zum Teil erreicht.

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