Laband: Das Budgetrecht nach den Bestimmungen
In Betreff der Titel selbst, auf denen die ordentlichen Einnahmen
beruhen, ist das Recht des Landtages noch z mehr beschränkt. Diese Ein-
nahmen beruhen sämmtlich auf Gesetzen oder gesetzlich begründeten Ein-
richtungen des Staates; und es liegt nicht in der Machtbesugniß des
Landtages, einseitig diese Gesetze oder Einrichtungen abzuändern oder
aufzuheben. Auch hier steht dem Landtag lediglich die Befugniß zur
politischen Kritik, nicht zur staatsrechtlichen Aktion zu. Jede Budget-
berathung giebt Anlaß, die Verwerflichkeit der Staatslotterie, die Be-
denken gegen den Betrieb eines kaufmännischen Geschäfts, wie es die
Seehandlung ist, oder eines Fabrik-Unternehmens, wie die Berliner
Porzellan-Manufaktur, die Schattenseiten des Systems der Staats-
Eisenbahnen, den Druck zu hoher Gerichtskosten, die Unzweckmäßigkeit
mancher Steuern u. dgl. zu betonen. Die Kammer kann durch Reso-
lutionen ihre Ansichten der Regierung gegenüber aussprechen und die-
selbe dadurch veranlassen, die Frage auch ihrerseits nochmals zu prüfen.
Die Streichung einer solchen Einnahme-Position im Etat aber wäre
juristisch wirkungslos und involvirte eine Rechtsverletzung von Seiten
der Kammer. Nur durch Gesetze, nicht durch einseitige Beschlüsse des
Abgeordnetenhauses können gesetzlich begründete Anstalten und Einrich-
tungen des Staates beseitigt werden.
Insbesondere gilt dies auch von den Steuern. Die bestehenden
Steuern werden auf Grund besonderer Gesetze erhoben und diese Gesetze
wirken so lange fort, bis sie durch neue Gesetze aufgehoben oder abge-
ändert werden. Das Budget ist nicht die rechtliche Grundlage für die
Steuer-Erhebung, sondern me Steuergesetze sind die gesetzliche Grund-
lage für die Aufführung der Steuer-Erträge im Budget. Es ist dieser
Rechtssatz nicht nur ausdrücklich im Art. 109 der Preußischen Verfassung
sanktionirt, sondern er würde sich auch ohne diese Sanktion aus den
Prinzipien des konstitutionellen Staatsrechts von selbst ergeben.") Die
Kammern haben zwar das Recht der Steuerbewilligung, d. h. neue
Steuern können nicht ohne ein Gesetz, also nicht ohne Zustimmung der
Kammern erhoben werden; aber sie haben nicht das Recht der Steuer-
verweigerüng, d. h. die Forterhebung alter, bestehender Steuern
kann nicht ohne ein Gesetz, also nicht ohne Zustimmung der Krone, der
Regierung entzogen werden. Es zeigt sich hierin eine Wirkung des
Satzes, daß Die Aufstellung des Etats ein Verwaltungs-Akt ist, der
den Gesetzen gemäß geschehen soll; die Streichung einer gesetzlich bestehen-
den Steuer aus dem Etat Seitens des Landtags ohne Zustimmung
der Regierung wäre ein Rechtsbruch, ein staatsrechtlich unwirksamer Akt.
Allerdings giebt es ein Mittel, auf indirektem Wege das Recht der
Steuerverweigerung für die Zukunft theilweise zu erlangen. Es besteht
12) Der neueste Bearbeiter dieser Lehre, G. A. Grotefend, das Deutsch-
Staatsrecht der Gegenwart, Berlin 1869, sagt zwar S. 630: „Das Budget ist das
materielle und rechtliche Fundament der Steuergesetze/ Für Preußen ist aber das
strikte Gegentheil hiervon richtig, während allerdings in mehreren anderen deutschen
Verfassungen das aus der Natur der Sache sich ergebende Prinzip durch ausdrückliche
Anordnungen modifizirt worden ist, um die politische Machtstellung der Stände zu.