Besprechung reichsgerichtlicher Entscheidungen.
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stellen wollen, indem sie bestimmten, daß dieser sich dem Er-
füllungszwange durch eidliches Ableugnen der Vermächtniß-
auflage entziehen könne. Nachdem die Verordnung Theo-
dosius II. über die Kodizillarform mit einigen Aenderungen
als I. 8 6. 46 codicillis 6, 36 in die justinianische Samm-
lung der Konstitutionen eingereiht worden war, konnte die
wenige Titel später stehende 1. 32 6. 4c fideicommissis nicht
formlose Vermächtnisse auf eine Stufe mit formgerechten
stellen. Es mußte ein Unterschied zwischen den zwei Arten
von Vermächtniß statuirt werden, und dieser Unterschied liegt
eben in der Beschränkung des Beweises bei formlosen Ver-
mächtnißauflagen. Wäre diese Beschränkung nicht vorhanden,
so würde zwischen formgerechten und formlosen Vermächtnissen
kein wesentlicher Unterschied bestehen, die Vorschriften über die
Form der Kodizille wäre für Vermächtnisse ohne praktische Be-
deutung.
Müßte man nun annehmen, daß die Beweisbeschränkung
der 1. 32 0. durch § 14 Nr. 2 des Einf.-Ges. z. C.P.O. auf-
gehoben wäre, so wäre das ganze Oralfideikommiß abgeschafft.
Denn ein formloses durch beliebige Beweismittel erweisbares
Vermächtniß wäre etwas ganz Anderes, als das, was Iusti-
nian in seinem Gesetze eingeführt hat. Dieses Gesetz wäre
unausführbar und könnte daher überhaupt nicht mehr ange-
wendet werden 2).
Es ist aber in hohem Grade unwahrscheinlich, daß durch
den § 14 Nr. 2 ein solcher Eingriff in den Bestand des
materiellen Rechts beabsichtigt wurde. Aus der Begründung,
die dem entsprechenden Paragraphen des Entwurfs eines Ein-
sührungsgesetzes beigegeben wurde3), ist ersichtlich, daß man
2) Auf diesem Standpunkte scheint Dernburg, Pand. in 8 75,
Aufl. r—3, zu stehen, während derselbe sich in der 4. Aufl. für die Bei-
behaltung des Oralfideikommisses ausspricht.
3) Motive, S. 199—201 der offiziellen Ausgabe.
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