58 Oertmann, Dingliche und persönliche Herausgabeansprüche.
Ich habe es im vorstehenden geflissentlich unterlassen,
die Konkurrenzfrage im Rahmen des Themas unter all-
gemeinen, doktrinären Erwägungen zu erörtern; die Frage,
ob der Herausgabeanspruch aus Vertrag und Eigentum einen
vollauf identischen Entstehungstatbestand auf-
weise oder ob ein jeder von ihnen selbständige Jndividuali-
sierungsmomente darbiete, wurde nicht gestreift. Zwar dürften
sich gegen Sibers im ersten Sinne gegebene Antwort Be-
denken geltend machen lassen. Aber eine sachgemäße, fördernde
Erörterung dieser Frage läßt sich meines Erachtens nur im
Rahmen einer Untersuchung über das gesamte Konkurrenz-
problem, die hier nicht im Plane liegt, vornehmen. Auch
dürfte es darauf im Sinne unserer Sonderfrage nicht ent-
scheidend ankommen. Denn daß auch derselbe Tatbestand
rechtlich in mehrfacher, voneinander unabhängiger Richtung
in Betracht kommt, verschiedene Rechtswirkungen
auslöst, ist etwas so Alltägliches, daß man darüber kein Wort
zu verlieren braucht. Ist das aber z. B. im Sinne des
gleichzeitigen Eintritts straf- und zivilrechtlicher Wirkungen
möglich, so liegt auch kein grundsätzliches Bedenken da-
gegen vor, zwei verschiedene privatrechtliche Ansprüche
aus demselben Tatbestand da entspringen zu lassen, wo
mehrere im Verhältnis zueinander selbständige, gleichwertige
Normen Z an ihn die Entstehung des Anspruchs anknüpfen.
Ob solche Möglichkeit auch zur Wirklichkeit erhoben sei, hängt
einfach von der Vorschrift des Gesetzes ab, und man wird das
im Zweifel überall da anzunehmen haben, wo die Zwecke des
einen Anspruchs nicht von denen des anderen in vollem Umfang
mitbefriedigt werden, sei es nicht in der Art der Durchführung,
sei es nicht in dem damit herzustellenden Erfolge.
I) Also anders, wenn die eine Norm der anderen gegenüber
als lex specialis anzusehen ist.