Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 61 = 2.F. 25 (1912))

Die Relativität der Begriffe und ihre Begrenzung usw. 361
eine tatsächliche Beziehung zum Nachlaß stattfände. So
hilft nur der Gleichklang eines Wortes über in Wahrheit
nicht beseitigte Widersprüche hinweg.
Was vom Erbenbesitz gilt, ist auch richtig für den mittel-
baren Besitz und den durch Traditionspapiere erworbenenx).
Ueberall hat sich das Recht über das Erfordernis der Ge-
walterlangung hinweggesetzt, und es ist nur eine Konsequenz
dieses Standpunktes, wenn § 870 allgemein ausspricht, daß
der mittelbare Besitz dadurch zu erwerben sei, daß der bis-
herige mittelbare Besitzer seinen Anspruch auf Herausgabe
an den Erwerber abtrete. Das ist also ein Besitzerwerb
durch bloßen Anspruchserwerb, durch bloße Rechtsabtretung.
Offen, und ich meine ganz unzweifelhaft, wird damit zugegeben,
daß es zwei verschiedene Arten von Besitz gibt: einen, der
sich auf die tatsächliche Herrschaft gründet, und einen
anderen, der nur eine rechtliche Herrschaft voraussetzt, bei
dem — das ist, wie ich a. a. O. ausgeführt habe, das Ge-
meinschaftliche dieser Fälle — nur ein Besitz interessent
vorhanden ist. Ja, studiert man das Gesetz weiter, so erfährt
man, daß in zahlreichen Fällen trotz tatsächlicher Herrschaft
ein Besitz nicht gegeben ist. Denn, sagt § 855, übt jemand,
z. B. ein Angestellter die tatsächliche Gewalt für einen
anderen dergestalt aus, daß er dessen sich auf die Sache be-
ziehenden Weisungen Folge geben muß, so soll dieser so-
genannte Besitzdiener trotz seiner tatsächlichen Herrschaft nicht
Besitzer sein.
So wird der Besitzbegriff nach Bedarf gewandelt. Da
gibt es Besitz mit Sachherrschaft, Besitz ohne Sachherr-
schaft und dort fehlt der offizielle Besitz trotz vorhandener
Sachherrschaft. Diese begriffliche Nötigung verdunkelt den
1) Näheres darüber habe ich in dieser Zeitschrift 53, 362 ff.
ausgeführt.

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