Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 61 = 2.F. 25 (1912))

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Georg Kuttner,

Diese Auffassung beruht nicht nur auf einer Verkennnung
des Wesens der Rechtsvermutungen, sondern wird auch den
Bedürfnissen und der Sicherheit des Realkreditverkehrs nicht
gerecht.
Schon ein Beobachter des praktischen Rechtslebens wie
Otto Bähr hatte im Nachtrag zur dritten Auflage seines
Werkes „Anerkennung als Verpflichtungsgrund" (1894) S. 250
die Worte ausgesprochen, als er bei Bekämpfung der Recht-
sprechung des Reichsgerichts über die rechtliche Natur der
Quittung gegen die unbegrenzte Zulassung des Gegenbeweises,
„daß kein Geld gezahlt sei", zu Felde zog:
„Es ist ein wahres Glück, daß der aus diesen Entscheidungen
sich ergebende Mißstand in weiteren Kreisen nicht bekannt
ist, sonst würde noch weit mehr Unglück daraus hervorgehen.
Bekanntlich wird auf die meisten Hypotheken-
briefe das Geld erst nachträglich (nachdem der
Gläubiger den Hypothekenbrief geprüft hat) ausbezahlt.
In allen diesen Fällen könnte es der Schuldner durch den
Beweis, daß zur Zeit des Hypothekenbriefs das Darlehn
noch nicht ausgezahlt gewesen sei, dahin bringen, daß der
Gläubiger die nachträgliche Auszahlung des Geldes erst
noch beweisen müßte. Was das zu bedeuten hätte, braucht
hier nicht ausgefühlt zu werden."
Diese prophetische Befürchtung ist in der angeführten
Reichsgerichtsentscheidung Bd. 49 S. 7 ff. leider in Erfüllung
gegangen, und welche tiefgehende Beunruhigung der Sicher-
heit des Hypothekenverkehrs daraus erwachsen müßte, wenn
das Reichsgericht seine Auffassung streng durchgeführt haben
würde, kann den Kennern der Verkehrssitte auf dem Gebiete
des Hypothekenverkehrs nicht zweifelhaft sein. Denn nach
weitverbreiteter und berechtigter Verkehrssitte, die übrigens im
ß 1139 BGB. ausdrücklich berücksichügt wird, pflegt der vor-

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