Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 56 = 2.F. 20 (1910))

Anfechtung stillschweigender Willenserklärungen wegen Irrtums. 399
Darum kann der irreführende Ausdruck des Gesetzes für uns
nicht bindend sein.
Dem so gewonnenen Begrisfsmerkmal jeder Willens-
erklärung kommt gerade für die Lehre von den stillschweigenden
Willenserklärungen hohe Bedeutung zu. Denn naturgemäß
muß für die Abgrenzung der stillschweigenden Willenserklä-
rungen von anderen Tatbeständen ganz dasselbe Prinzip gelten
wie für die Abgrenzung der Willenserklärung überhaupt von
anderen, ähnlichen Tatbeständen, sofern man überhaupt die
„stillschweigende Willenserklärung" als Willenserklärung be-
trachtet. Entscheidet man sich also für den Satz, daß jede
Willenserklärung richtungsbedürstig ist, so muß man konse-
quenterweise dies Merkmal auch von allen stillschweigenden
Willenserklärungen verlangen.
In der Tat genügen die bisher behandelten Fälle still-
schweigender Erklärungen diesem Erfordernis. Das erhellt
ohne weiteres da, wo eine solche in einer wörtlichen Erklärung
gefunden wird. Es ist aber auch nicht anders, wo ein wort-
loses Verhalten eine stillschweigende Willenserklärung in sich
schließt, sei dies Verhalten im übrigen aktiver Art oder bloß
passiv. Der Gläubiger, der nach Fälligkeit des Darlehns sich
die Zinsen vom Schuldner weiter bezahlen läßt, erklärt damit
dem Schuldner gegenüber sein Einverständnis mit der
weiteren Stundung des Darlehns. Nicht anders ist es, wenn
etwa der Ehemann in Gegenwart seiner Frau eine dieser ge-
hörige Sache verkauft und diese dazu schweigt: auch hier kann
der Käufer aus dem Verhalten der Frau die an ihn gerichtete
Erklärung entnehmen, daß sie den Verkauf genehmige. Wenn
dagegen neuerdings PlanckZ bezweifelt hat, ob überhaupt
eine stillschweigende Willenserklärung einem anderen gegen-

1) Komm. 1, 207.

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