Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 67 = 2.F. 31 (1917))

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Eugen Ehrlich,

Voraussetzungen abgehen, wie sonst vom Juristenrecht, eben-
deswegen, weil das nicht anerkannte oder gesetzlich aus-
geschlossene Gewohnheitsrecht nicht als Rechtsquelle be-
trachtet werden kann. Man könnte daher in Oesterreich jetzt
noch den Besitzer von Kossuthdollarnoten, Garibaldibons,
Mazzinilosen wegen Vergehens des Hochverrats verurteilen.
Das wäre kein Rechtsbruch. Man tut es aber nicht.
IV.
Wandlungen des Rechlssatzes.
Der Richter, der den Rechtsfall dem Rechtssatz unter-
ordnet, erkennt damit, daß das gesellschaftliche Verhältnis
und der Interessengegensatz, um den es sich im Rechts-
fall handelt, unter die im Rechtssatz enthaltenen Begriffe
fallen. Darin liegt immer die Entscheidung über eine Rechts-
frage. Es gibt keinen Rechtsstreit, in dem bloß eine Tat-
frage vorläge: der entgegengesetzte Schein entsteht jedoch
dann, wenn die Rechtsfrage so zweifellos ist, daß die geistige
Tätigkeit der Richter bei ihrer Entscheidung übersehen wird.
Wenn der Wechselakzeptant, der seine Unterschrift bestritten
hat, zur Zahlung verurteilt wird, so wurde dabei offenbar
nicht bloß über die Echtheit der Unterschrift, sondern auch
über die Rechtsfrage entschieden, daß die Urkunde ein
Wechsel, der Akzeptant wechselfähig ist, und aus der
Unterschrift wechselmäßig haftet. Auch die Frage, ob der
Beweis erbracht wurde, ist eine Rechtsfrage. Daß der Ge-
schworene über eine Rechtsfrage erkennt, wird jetzt allgemein
angenommen. Ueber die reine Tatfrage kann man wohl als
Zeuge aussagen, aber nicht als Richter (oder Geschworener),
entscheiden.
Ein Rechtssatz ist nur auf solche Verhältnisse und

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