Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 67 = 2.F. 31 (1917))

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Eugen Ehrlich,

schieden, die keine Auslegung, sondern eine selbständige Ent-
scheidung im Anschluß an einen Rechtssatz ist.
Ohne Verallgemeinerung gäbe es keine Jurisprudenz.
Der Rechtssatz in seiner Urform, noch mit der Entscheidung
des einzelnen Falles verquickt, wird überhaupt erst durch
Verallgemeinerung anwendbar. Aber auch die ältesten
Rechts regeln sind noch außerordentlich konkret gehalten: in
den deutschen Volksrechten wird für jedes beschädigte Glied,
jedes gestohlene Haustier, vom Huhn bis zum Ochsen, die
Buße besonders bemessen. Aus einer sehr langwierigen
Verallgemeinerung dieser Rechtssätze ist das ganze Strafe
recht entstanden. Es hat einer jahrhundertelangen Verall-
gemeinerung bedurft, um aus dem XII-Tafelsatz: si telum
manu fugit magis quam iecit den Rechtssatz über die
fahrlässige Tötung herauszuschälen. In derselben Weise
wird die Auslegung gegenüber dem modernen Rechtssatze
Vorgehen. Wir dürfen einen Rechtssatz, wo von Kindern
oder Eltern die Rede ist, oft auf Enkel oder Großeltern
ausweiten, denn dieser Gradunterschied war für die Jnteressen-
abwägung bedeutungslos; es ist zulässig, wie es Zitel-
mann verlangt, die Schlafwagengesellschaft nach den Grund-
ätzen über die Haftung der Gastwirte zu behandeln, denn
ür die Jnteressenabwägung ist der Schlafwagen nur ein
rollender Gasthof. Obwohl das deutsche Bürgerliche Gesetz-
buch bloß dem Eigentümer einen Anspruch einräumt auf
Beseitigung nachbarlicher Störungen, so können wir mit
Heck auch dem Nutzungsberechtigten den Schutz des Nach-
barrechts des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs zuwenden,
denn auf den Unterschied zwischen Eigentum und Nutzungs-
hat aber nicht die Kraft, ihn zu meistern. Wie selbstherrlich stehen
Thöl und sogar Goldschmidt in ihrer gewollten Beschränkung
ihrem Stoff gegenüber, verglichen mit späteren Kommerzialisten.

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