Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 59 = 2.F. 23 (1911))

Unklagbare Ansprüche.

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Mangel recht, ist dem Klagbarkeitsmangel billig: damit ist
praktisch die derzeitige Ablehnung unseres Postulates be-
siegelt.
Mit der Stirn durch die Wand zu rennen, hat keinen
Sinn. Abhilfe und Besserung wird erst erfolgen können, wenn
unsere Wissenschaft ihre grundsätzliche Abkehr von der scholastisch-
logischen zur teleologischen Methode wird vollzogen Habens.
Bis diese Methode sich wird festgestellt und Bahn gebrochen
haben, wird noch manches Wasser die Weser hinablaufen. Eine
fröhliche Bewegung der Geister ist im Gang. Durch die Recht-
sprechung des Reichsgerichts weht ein frischerer Zug als je
vordem 2). Aber noch überwiegt das Kritisieren und zuweilen
das Nörgeln. Das Positive steht noch in den Anfängen.
Unter solchen Umständen aber hat es keine Verheißung, einen
vereinzelten Punkt, wie eben den der Unklagbarkeit, in hilfloser
Vereinsamung herauszustellen und für ihn anderes als geltenden
Rechtens zu proklamieren, als was für andere Dinge gleicher
Art übereinstimmend gelehrt wird. Sonst entsteht Inkonsequenz
und Willkür: ein schlimmerer Feind des Rechtslebens aber ist
nicht denkbar.
Gebe ich hiernach die Verzichtbarkeit gesetzlicher Unklagbar-
keit zurzeit rundweg preis, so gereicht es mir zur Gewissens-
beruhigung, in praktischer Beziehung wenigstens eine In-
konvenienz einräumen zu können, welche die unter 2. angeregte
Auffassung allerdings mit sich bringen möchte. Es ist dies die
Möglichkeit, daß der klagende Teil unerachtet des § 1394 Ver-

1) Vgl. Reichel, RheinZ. 1910 S. 154; DRZ. 1910 S. 464ff.
2) Vgl. z. B. Recht 1911 Nr. 628 (Verzichtbarkeit des Zusammen-
hanges bei Widerklage). Um so bedenklicher entscheiden oft Untergerichte.
Sie sollten beherzigen, was Zacharias, Gedanken eines Praktikers 1910
S. 6 ihnen zuruft. Das Reichsgericht ist nicht nur Revisionsinstanz, sondern
auch Vorbild.
LIX. 2. F. XXIII.

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