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Krückmann,
Besteht Gewißheit, daß nicht geleistet werden wird, hat
der Gläubiger kein Bedürfnis, sich des Rechtsgeschäftes durch
Anfechtung zu entledigen.
Besteht Ungewißheit, so kann daraus nie ein Grund zur
Anfechtung entnommen werden, denn der Gläubiger kann ja
nicht Nachweisen, daß er in seinen Erwartungen enttäuscht
werden, daß ihm das Rechtsgeschäft nicht das halten wird,
was er sich berechtigterweise von ihm verspricht.. Der Ungewiß-
heit kann nur die Kündigung entsprechen, da sie grundsätzlich
allen etwaigen neu eintretenden Umständen Rechnung trägt,
während die Anfechtung sich nur auf die schon zur Zeit des
Vertragschlusses bestehenden Umstände stützt.
Die Anfechtung sagt: Das Rechtsgeschäft ist nie für mich
brauchbar gewesen, die Kündigung spricht sich über die bis-
herige Brauchbarkeit nicht aus, sondern sagt nur: Das Rechts-
geschäft ist in diesem Augenblick, den ich der Beurteilung zu
Grunde lege, unbrauchbar und darum kündige ich, weil ich auf
das etwaige Brauchbarwerden nicht warten mag, dies mir auch
Nicht zuzumuten ist. Wie leicht zu sehen, läuft auch hier alles
auf den Beurteilungszeitpunkt hinaus, und Brecht will im
Grunde mit den Rechtsbehelfen, die nur auf die entschiedene
Gewißheit über die Möglichkeit oder die Unmöglichkeit passen,
auch den praktischen Bedürfnissen gerecht werden, die durch die
bloße Ungewißheit als solche erwachsen und sich gerade in
dem Zeitraum, wo noch nicht geleistet zu werden braucht, also
vor, aber nicht in der Ersüllungszeit geltend machen. Dem-
gegenüber muß um so bestimmter betont werden, daß der Zeit-
raum vor der Ersüllungszeit *) durchaus seine eigenen Bedürf-
nisse hat. seine eigenen praktischen Aufgaben stellt und seine
i) Der Kürze halber gesagt, Genaueres wird später bei dem Kündigungs-
recht folgen.