Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 39 = 2.F. 3 (1898))

Partikulares Gewohnheitsrecht?

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dem partikularen Gewohnheitsrechte gegenüber aus der ver-
fassungsmäßigen Dolksorganisation unmittelbar
sich ergebende Rechtmäßigkeit eines solchen Verbots nach-
drücklich hervorzuheben.
Ueberhaupt verstehe ich nicht, wenn man in unserer Frage
ausdrücklich das Recht des Stärkeren proklamirt, also
ausspricht, daß „nackte unjuristische Thatsachen" den
Ausschlag dafür geben, ob irgendwo in einem
Lande die eine Rechtsquelle vor der anderen den
Vorrang habe (also die letztere auch in concreto ein-
schränken oder ausschließen könne) — wie man dann sagen
kann: ein Gesetzgeber, welcher von dieser ihm in einem Lande
zustehenden Macht nun wirklich Gebrauch macht, über-
schreite damit die ihm gesteckten Grenzen, verletze
seine Kompetenz? Gilt eben das Recht des Stärkeren, so ist
doch, was er thut, sein Recht, wie denn der ganze Staat
auch mit einem Gewaltakte beginnen kann. Wird man ihn
darum als Rechtszustand leugnen? Hier rächt sich, daß unsere
Frage vorzugsweise von Civilisten und nach rein civilistischen
Gesichtspunkten behandelt wird. Sie gehört in eminenter
Weise dem öffentlichen Rechte an. In diesem aber kommt es
häufig vor, daß ein Machtzustand auch ein Rechtszustand
ist, wenn er nur die Gewähr eines gewissen Bestandes in sich
trägt. Diese Gewähr ist aber hier, wie schon erwähnt, vor-
handen. Wenn unser Staat also in seiner Gesetzgebung dem
Gewohnheitsrecht wenigstens in der maßvollen Form, die hier
in Frage steht (wo die Gewohnheit von einem seiner organi-

loS zuzusprechen: es wird durch sie die Bildung eines neuen, die Fort-
dauer eines alten Gewohnheitsrechts thatsächlich außerordentlich er-
schwert, weil die Gerichte sich — wenigstens der Regel nach (!) —
der gesetzlichen Abschaffung des Gewohnheitsrechts fügen und also dem Ge-
wohnheitsrecht den Eingang in die gerichtliche Praxis versagen werden.

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