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Carl Crome,
oder nicht. Duldet das Reichsrecht die Abänderung oder die
Ergänzung nicht, so dürfen sie auch die Einzelftaaten
nicht dulden, in welche die betreffenden Volks-
kreise fallen. Schon oben ward darauf hingewiesen, daß
die oberste Volksgemeinschaft (in diesem Fall das Reich) ein
gewisses Exekutionsrecht gegen widerspänstige Volksglieder be-
sitzt. Wäre der widerspänstige Theil ein Einzelstaat, so würde
das in der Reichsverfassung Art. 19 ausdrücklich, sanktionirte
Exekutionsrecht unmittelbar eingreifen; gegenüber anderen
Dolkskreisen könnte das Reich verlangen, daß die betreffenden
Einzelftaaten einschreiten, wenn überhaupt nothwendig wäre,
um derartiger Dinge willen gleich bis ans Ende der zulässigen
Machtmittel vorzugehen. In Wirklichkeit macht sich die Exe-
kution weit einfacher und leichter. Nicht einmal die Klinke
der Gesetzgebung braucht zur Bezwingung der Widerstrebenden
ergriffen zu werden, solange nur der Reichsorganismus selber
noch funktionirt. Allenthalben wird anerkannt, daß die bloße
gesetzliche Abschaffung des Gewohnheitsrechts in einem ge-
ordneten Staatswesen noch stets wirksam gewesen ist:
daß sie die Bildung einer dem Verbot entgegenftehenden Ge-
wohnheit wirklich gehindert hat und ferner hin-
dern wird, weil kein Gericht jemals gewagt hat und in
Zukunft wagen wird, sich über einen solchen gesetzlichen Aus-
spruch als unverbindlich hinwegzusetzen 12).
Das soll nach Cosack nun ein bloß thatsächlicher
Zustand sein, und er verfehlt nicht, die nach seiner Ansicht
allzu folgsamen Gerichte zu einer kleinen Revolte aufzufordern:
er läßt durchblicken, daß ein einsichtiges Gericht ein solches
Opfer des Intellekts nicht bringen sollte13). Daher ist die
18) S. auch Regelsberger, Pandekten, Bd. 1 8 23 S. 103.
13) Man vergleiche den Satz (Lehrbuch, Bd. 1 S. 39): Nur die
eine Wirkung ist der gesetzlichen Abschaffung des Gewohnheitsrechts zweifel-