Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 39 = 2.F. 3 (1898))

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Carl Crome,

daß beide thatsächlich verbunden sind, so daß das Schicksal
des einen das andere nachzieht. Im Gegentheil, ich glaube,
daß wir dem Gesetzgeber Dank wissen müssen, wenn er die
Möglichkeit des Zweifels ausschloß, ob.ein thatsächlich irgendwo
entstandenes Gewohnheitsrecht zufällig ein rein ergänzendes
sei und als solches Anerkennung verdiene: eine Frage, die
stets einen langwierigen Prozeß herausbeschwören und auf
diese Art mehr Schaden anrichten würde, als die ausnahms-
lose Beseitigung aller partikularen Gewohnheiten.
Für die Ergänzung des Gesetzes durch die letzteren ist
überdies nach der jetzigen Gestaltung um so weniger
Veranlassung, als das Gesetz selbst dem Richter bei der
Rechtsanwendung zur Berücksichtigung aller, auch
der örtlichen Verhältnisse und konkreten Bedürfnisse den
weitesten Spielraum läßt; — in einer Weise, wie es
zur Zeit, als Gierke schrieb, auch noch nicht annähernd der
Fall war. Dadurch ist in entsprechendem Maß auch das Be-
dürfniß für einen Ausbau der gesetzlichen Bestimmungen durch
partikulares Gewohnheitsrecht hinweggefallen. Wie dieses
freie richterliche Ermessen bei Anwendung der Rechtsnormen
heutzutage im Gesetz nach den verschiedensten Richtungen hin
zur Geltung kommt, hat Endemann sehr ansprechend zum
Ausdrucke gebracht 10). Mit Recht wird da hervorgehoben,
daß die richtige Anwendung dieser in das Gesetz eingescho-
benen „beweglichen Faktoren" und die dem Richter allent-
halben zur Pflicht gemachte Berücksichtigung von Treu und
Glauben, der Verkehrssitte und des wirklichen Willens der
Parteien im Gegensatz zum buchstäblichen Sinn der Worte,
in Zukunft die Möglichkeit gewährt, in ähnlicher Art wie einst
die römischen Juristen und neuerdings die durch ihren frischen

IO) Bergt. Endemann, Einführung, § 11.

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