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Earl Erome,
Vorschrift ablehnte, gemeines deutsches oder Reichs -
gewöhnheitsrecht zulassen, das partikulare Ge-
wohnheitsrecht hingegen auch in seiner ergänzenden Funktion
verwerfen. Freilich erhebt sich danach noch die Frage, ob
dieser Wille im Gesetze selbst genügenden Ausdruck ge-
funden hat, um als maßgebender Gesetzesinhalt in Betracht
zu kommen. Das könnte bei oberflächlicher Betrachtung um
deswillen verneint werden, weil das Gesetzbuch des Gewohn-
heitsrechts nicht besonders gedenkt. Darauf fußt denn auch
ganz spezifisch Krückmann^). Wir werden darauf noch
weiter unten zurückkommen. Hier wollen wir den praktischen
Erwägungen des letzteren Schriftstellers zunächst diejenigen
entgegenstellen, welche für den Gesetzgeber leitend gewesen
sind, zumal derselbe damit auch, wie sich alsbald ergiebt,
durchaus im Rahmen der Iuristentagsbeschlüsse verblieben ist.
In erster Linie ist vom praktischen Gesichtspunkt aus zu
sagen, daß der Fall, für welchen Krückmann sein ergänzen-
des partikulares Gewohnheitsrecht als nothwendiges Hülfs-
mittel der Rechtsentwickelung postulirt, in Wirklichkeit in
dieser Weise gar nicht existirt. Einmal ist in der
heutigen Zeit, wo allenthalben eher über den zu schnellen als
zu langsamen Gang der Gesetzgebungsmaschine geklagt wird,
kaum zu fürchten, daß die Gesetzgebung so sehr ins Stocken
gerathen werde, daß es des Eingreifens derartiger Gewohn-
heiten zur nothwendigen Fortbildung des Rechts bedürfte * 7).
In heutiger Zeit wird die Bedeutung jeglichen Gewohnheits-
rechts viel mehr auf derogatorischem als auf dem bloß ergänzenden
e) Bergt, a. a. O. S. 200 Anm. 1.
7) S. auch Oertmann, Volksrecht und Gesetzesrecht (Bortrag),
1898, S. 32 ff.