Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 39 = 2.F. 3 (1898))

Die Verantwortlichkeit des Eigenthümers für seine Thiere. 283
von Anfang an civilistisch gewesen, daß sie vielmehr auf dem
Boden des Strafrechts erwachsen ist*).
Noch im klassischen Recht wird verlangt, daß eine Schuld
— oder was man so nennen will 1 2 3) — auf Seiten des Thieres
Vorgelegen haben muß, um den Eigenthümer noxal verant-
wortlich zu machen. Ist das Verhalten des Thieres vorwurfs-
frei, so braucht der von ihm angerichtete Schaden nicht ersetzt
zu werden. Daher wird auch beim Thier Nothwehr als
schuldausschließend anerkannt ^), daher auch in dem Falle, wo
zwei von Maulthieren gezogene Wagen hinter einander einen
Berg hinauffahren und der vordere Wagen durch Zurückrollen
auf den Hinteren stößt, so daß durch diesen ein Knabe über-
fahren wird, untersucht, ob das Zurückweichen der Maulthiere
des vorderen Wagens entschuldbar war oder nicht 4)5).

1) Jhering, Geist des r. R., Bd. 1 (3. Aust.)S. 130ff.; Girard>
N.R.H. XII p. 36 ff. Vergl. Pernice, Labeo, Bd. 1 (1873) S. 171.
2) Die Quellen nennen im Gegensatz zur menschlichen culpa, aber
ganz parallel zu ihr, die des Thieres vitium. Bergl fr. 52 § 3 D. (9, 2):
si culpa hominis factum esset . . . nou debere praestari; si vitio bovis,
debere. Daß die Bemerkung Ulpian's fr. 1 § 3 D. (9, 1) nicht dagegen
beweist, ist heute nicht mehr bestritten. Bergl. Dernburg, Pandekten,
Bd. 2 (3. Aust.) § 133 S. 355 Note 5.
3) Fr. 1 § 11 D. (9. 1). Bergl. Grotius, De jure belli lib. I
cap. 2 § 3 n. 2. Potliier, Pand. Justinian., Tome 1 p 310 y. 4.
4) Fr. 52 § 2 D. ad leg. Aq. (9, 2): vermochten die Thiere den
Wagen nicht mehr aufzuhalten, so haftet ihr Eigenthümer nicht, wohl aber
bei plötzlichem Scheuen derselben. Die Zugthiere des Hinteren Wagens
sind in jedem Falle nichtschuldig.
5) Die Formulirung Eisele's, Haft, des Eig. f. d. durch sein
Thier verursachten Schaden, in diesen Jahrb., Bd. 24 S. 493,
daß gemäß fr. 52 § 2 cit. eine „positive Aktion" des Thieres zur Be^
gründung der a° de pauperie erfordert werde, ist offenbar unrichtig.
S. 492 trägt er selbst auf Grund der gleichen Quellenstelle vor, daß die
Noxalklage auch durch ein Nichtthuu, das Nichtmehrziehen der Thiere,
begründet werden kann. Es kommt eben auf die Qualität des thierischen
Thuns oder Nichtthuns an.

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