Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 39 = 2.F. 3 (1898))

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August Ubbelohde,

Erbtheils, aber unter Beschränkungen oder Beschwerungen, die
eben deshalb als nicht angeordnet gelten 7). Hier kann er
selbst freilich den Pflichttheil nicht verlangen; es bekommen
aber jene entfernteren Personen Pflichttheilsrecht, wenn er die
Erbschaft ausschlägt8).
7) § 2306 Abs. l Satz i (s. oben Anm. 2»).
8) Strohal, Das deutsche Erbrecht nach dem B.G.B. rc., S. 73 f.,
bemerkt hierzu: „Offenbar hat man eS auch hier wieder mit einer.auS der
Subtilität der Fassung des § 2309 entspringenden überfeinen und sachlich
ganz und gar ungerechtfertigten Entscheidung zu thun." Küntzel. Beiträge
zur Erläuterung des deutschen Rechts, 6. Folge, Jahrg. i, S. 451 f., hält
dem entgegen, es erscheine doch als durchaus angemessen, daß der für den
Fall des Mchtkönnens, also namentlich auch der für den Tod des an erster
Stelle Eingesetzten vor dem Erbfalle ernannte Ersatzerbe im Zweifel zu-
gleich für den Fall des Nichtwollens berufen ist; ähnlich rücke bei der
gesetzlichen Erbfolge der Nachstehende nicht nur dann an die Stelle des vor
ihm Stehenden, wenn dieser vor dem Erblasser verstorben ist, sondern
auch dann, wenn er ausschlägt: weshalb sollte es nun so verfehlt sein, in
beiden Fällen den nachstehenden Personen ein Pflichttheilsrecht zu gewähren,
m. a. W. die Testirfreiheit deS Erblassers zu beschränken? Bei dieser
Erwägung ist indessen völlig ungewürdigt geblieben, daß ein jedes der drei
neben einander gestellten Verhältnisse eine ganz verschiedenartige Beziehung
zum Willen des Erblassers bietet: bei der Ernennung eines Ersatzerben
handelt es sich um die Ergänzung einer unvollständigen Erklärung des
Willens gemäß einer nahe liegenden Vermuthung; für das Nachrücken der
entfernteren Personen bei der gesetzlichen Erbfolge kommt der Wille des
Erblassers überhaupt nicht in Betracht; das in § 2306 eingeführte Nach-
rücken der Pstichttheilsberechtigten endlich zieht dem Willen des Testators
eine Schranke, welche außerhalb der Anschauung des Nichtjuristen liegt.
Denn so natürlich es in sein Bewußtsein tritt, daß er für den Fall vor-
zeitigen TodeS des nächsten Pflichttheilsberechtigten den entfernteren zu
bedenken hat, ebenso natürlich ist ihm umgekehrt die Meinung, er habe für
den Fall, daß der nächste ihn überlebt, durch dessen gehörige Bedenkung
dem Gesetze genügt. Und in der Nichtbeachtung dieser natürlichen An-
schauung steckt der Fehler des Gesetzes: es ist in der That ein sehr er-
künsteltes Verlangen, der Testator solle die Laune des nächsten Pflichttheils-
berechtigten in Rechnung stellen, die diesen etwa zur Ausschlagung des ihm
angebotenen ausreichenden Brucktheiles einer guten Erbschaft veranlassen
möchte. Demgegenüber rechtfertigt sich solches Verlangen sicherlich nicht

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