Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 49 = 2.F. 13 (1905))

Adäquate Verursachung im Zivilrecht.

379

Die Unrichtigkeit der herrschenden Meinung, die noch die
Konsequenzen des Satzes: aliud alii mortiferum esse solet
ziehen will, dürfte unmittelbar aus der das Rechtsgefühl ge-
wiß befriedigenden Entscheidung des Reichsgerichts in IW. 1903,
Beilage, S. 134, abgeleitet werden können : Beklagter hat die
Klägerin, die unbefugt sein Grundstück betreten und wahrschein-
lich dabei den Zaun überstiegen und beschädigt bat, bis ein
Stück über den Bereich seines Besitztums verfolgt und ihr
,,einige an sich ungefährliche, den Körper der Klägerin in Wahr-
heit nicht treffende Schläge" mit einem Bohnenstecken versetzt.
Nach Ansicht des Reichsgerichts konnte der Beklagte nach dem
regelmäßigen Verlaufe der Dinge auch bei Beobachtung der
im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht annehmen, daß die
Klägerin, ein nach ihrer eigenen Angabe, zur Zeit des in
Frage stehenden Vorganges gesundes, normal entwickeltes
Landmädchen von 11 Jahren, durch solche Maßnahmen, ins-
besondere durch eine kurze Verfolgung, an ihrer Gesundheit
beschädigt werden konnte.
Hätte das Reichsgericht aber nicht gerade so entschieden,
wenn dem Kind, das in der Tat nicht so gesund war, wie
es aussah, bei der Verfolgung eine Ader geplatzt wäre, oder
wenn ein Stockschlag ein durch die Kleider verdecktes Ge-
schwür getroffen und verschlimmert hätte? — Mir scheint,
ganz gewiß.
Zwar hat das Reichsgericht nur die Fahrlässigkeit ver-
neint, nicht ausdrücklich den Kausalzusammenhang. Aber be-
steht bei den beiden eben gegebenen Fortbildungen des dem
Reichsgericht zur Entscheidung vorgelegenen Tatbestandes noch
genereller und nicht vielmehr ein zufälliger, nur ex post
erkennbarer Kausalzusammenhang?
So sehr jedem die körperliche Unversehrtheit seines
Nächsten angelegen sein muß, so berechtigt uns doch nichts.

Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer