Der Verzicht des Fideikommißbesitzers.
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dem gemeinen Gewohnheitsrecht, das beim hochadligen Haus-
gut eine Erstreckung des Verzichts auf die Descendenten zu-
ließ i); größeren Einfluß mag auch hier das Bestreben gehabt
haben, die Sonderbildungen des Fideikommißrechts zu Gunsten
des übrigen bürgerlichen Rechts zu verkümmern. Auch hier
spielt der Erbverzicht hinein!
Indessen sind für das gemeine Recht die Zweifel über
die Wirkungen des Verzichts auf die Descendenten nicht behoben,
wenn festgeftellt ist, daß der Verzicht ihnen ihr Anwartschafts-
recht nicht nehmen kann. Wir kommen vielmehr nun erst zu
dem kritischen Punkt der ganzen Verzichtslehre. Wenn nämlich
z. B. bei einer Primogenitur der kinderlose Besitzer verzichtet,
und infolgedessen sein jüngerer Bruder das Fideikommiß erhält,
so entsteht die Frage nach der Stellung eines später geborenen
Sohnes des Verzichtenden.
Pfaff-Hofmann (Kommentar 335 N. III) sagen:
„Der Verzicht darf keinem, auch noch so entfernten gegen-
wärtigen oder künftigen Anwärter schaden", und sie ziehen aus
diesem Leitsatz, dessen Richtigkeit wir anerkannt haben, die
Folgerung: „Dies kann aber nur dadurch gesichert werden,
daß der Verzichtende für die Frage der Reihenfolge der Succes-
sion so betrachtet wird, als ob er nicht verzichtet hätte; eine
wahre Vakatur tritt erst mit seinem Tode, nicht mit dem Ver-
zichte ein." Rosin (S. 409—410) der für den Veräußerungs-
fall gefunden hatte, daß der mit der Revokationsklage sich den
1) Wer aus der genossenschaftlichen Familie des hohen Adels aus-
scheidet, verliert damit die Mitgliedschaft; und daS muß für seine danach
geborenen Kinder von Wirksamkeit sein, weil diese nun nicht als Familien-
mitglieder geboren werden. Auf die vor Verzicht geborenen (erzeugten)
Kinder kann sich dieser nie erstrecken. Sie sind Mitglieder der Familien-
genossenschaft. — Auf das Familienfideikommiß ohne eine zur Genoffenschaft
ausgebildete Familie läßt sich das aber nicht übertragen.
XLIX. 2. F. XIII.