Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 36 = N.F. 24 (1896))

Stellvertretung und Vollmacht.

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Besitzerwerbes, die, sei es für den Prinzipal, sei es für den
Vertreter den Ausschlag gäbe, gänzlich fehlt, so entscheidet zu
Gunsten des Prinzipals die Thatsache, daß sich der Vertreter
durch die Annahme und Ausführung des Auftrags in den
Dienst des durch dessen Ertheilung bekundeten fremden Interesses
gestellt hat.
Der Wille des Vertreters im Moment des Besitzerwerbes
spielt in allen obigen Fällen gar keine Rolle. Nur die von
uns bereits besprochene Stelle D. (41, 2) 1 § 20 bringt diesen
Willen ins Spiel. Der Vertreter erwirbt also selbst dann für
den Prinzipal, wenn er etwa in jenem Moment Unter-
schlagungsabsicht gehegt hätte *). Solch eine Absicht wird
jetzt gefaßt und im nächsten Moment wieder aufgegeben. Was
zeichnet den Augenblick des Besitzerwerbes aus, um gerade
der in diesem Moment bestehenden Absicht eine so überragende
Bedeutung zu geben? Soll wirklich, wenn der Dienstmann,
den ich zur Abholung der an mich gesandten Maaren auf den
Bahnhof schickte, im Moment der Empfangnahme Unter-
schlagungsabsicht hatte, sie aber in der nächsten Minute wieder
fallen ließ — dies kann ja vielleicht durch seine eigenen
Aeußerungen an Dritte festgestellt werden —, soll wirklich in
solchem Fall Eigenthum auf mich erst durch eine zweite Tra-
dition übergehen? Und wenn er die Unterschlagungsabsicht
nicht fallen ließ, sondern die Maaren wirklich beiseite brachte,
hat er daun nicht mein Eigenthum unterschlagen?
Dem Auftrag steht es gleich, wenn der Vertreter als
Z68tor aus einer den Prinzipal angehenden causa Besitz
ergriffen, z. B. dessen Forderungen einkassirt hatte. Denn
auch hier bleibt es wahr, daß der Vertreter sich — durch die
i) Vgl. schon Jhering, Jahrbb. f. Dogm. Bd. i S. 334 und
besonders Besitzwille, S. 204ff. A. M. Mittels, a. a. O. S. 144
Nr. 148.

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