Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 36 = N.F. 24 (1896))

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Otto Senet,

worden wäre. Der Dritte dagegen hätte Klagerecht nur nach
Maßgabe von D. (19, 1) 13 § 27, 28, d. h. er könnte nur
eine Erklärung des Prinzipals darüber verlangen, ob er das
Geschäft gelten lassen wolle oder nicht.
Die obigen Sätze werden vielleicht von Niemandem be-
stritten werden. Sie werden aber oft in einer Form vor-
getragen, die Bedenken erregen muß. Dahin gehört es, wenn
z. B. Windscheid*) sagt: „die Vollmacht... kann frei
zurückgenommen werden; ist aber die Bevollmächtigung dem
Dritten gegenüber oder öffentlich erklärt worden, so kann das
Erlöschen der Vollmacht dem Dritten, welcher in unverschuldeter
Unkenntniß das Rechtsgeschäft abgeschlossen hat, nicht zu seinem
Schaden entgegengesetzt werden." Hier wird offenbar als die
normale Form des wirksamen Widerrufs der dem Bevoll-
mächtigten gegenüber vorausgesetzt, während dieser, wie wir
gesehen haben, an sich der Regel nach die Vertretungsmacht
gar nicht berührt; die Unwirksamkeit dem ohne seine Schuld
unkundigen Dritten gegenüber wird nur als eine Art Billig-
keitsausnahme hingestellt, und man könnte versucht sein, per
arZumentum e contrario zu schließen, daß der Dritte bei
unverschuldeter Unkenntniß, wenn ihm der Widerruf auch nicht
zu seinem Nachtheil entgegengesetzt werden könne, sich doch zu
seinem Vortheil darauf berufen dürfe, daß also der ihm un-
bekannt gebliebene Widerruf zwar nicht gegen ihn, aber doch
für ihn wirke. Dieser Schluß wäre jedenfalls ein Fehlschluß.
Bleiben wir bei dem letztangeführten Beispiel und nehmen
wir an, der Vertreter, dessen Vollmacht ihm gegenüber zurück-
gezogen war. habe mit einem dieser Thatsache unkundigen
Dritten noch namens des Prinzipals kontrahirt, so ist m. E.
das Geschäft unzweifelhaft für beide Theile vollgültig zu Stande

i) Pand. § 74. Ganz ähnlich Mitteis a. a. O. S. 1S9.

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