Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 36 = N.F. 24 (1896))

Die rechtliche Natur des Anfechtungsrechts. 243
Deliktstheorie x) kommen wieder zu der Annahme, daß der
Wohnsitz des Schuldners für die streitige Frage entscheidend
sei, weil sich nur dort die Benachtheiligung der Gläubiger
wirksam mache. Darnach vermag aber der Deliktsstandpunkt die
Frage überhaupt nicht befriedigend zu lösen. Eine Wahl darf
überhaupt nicht möglich sein. Nach welchen Grundsätzen soll
auch der Richter die Wahlfrage entscheiden? Wer die Anfech-
tung im Wesentlichen als auf Delikt beruhend ansieht, in den
Fällen des guten Glaubens des Anfechtungsgegners aber eine
bloße Bereicherungsobligation annimmt, muß wieder für beide
Arten der Anfechtung unter Umständen verschiedenes Recht
für anwendbar erklären. Auch bei der Co sack ' schm Theorie
von der obligatio ex lege ist ein annehmbares Resultat nicht
zu gewinnen. Co sack (S. 105) selbst befindet sich geständ-
lich in schwerer Verlegenheit, wie er von seinem Standpunkte
aus den Satz bewahrheiten soll, daß durch den Wohnsitz des
Schuldners das anzuwendende örtliche Recht sich bestimme.
Seine Beweise sind m. E. ungenügend. Wenn er das Haupt-
gewicht darauf legt, daß das Anfechtungsrecht auf einer Ge-
bundenheit des gesammten Vermögens des Schuldners zu
Gunsten der Gläubiger beruhe, und daß deshalb der Wohn-
sitz des Schuldners, als der Ort, wo das Vermögen als
Ganzes seinen Sitz habe1 2), bestimmend sein müsse, so ist

1) So W e st Archiv für civilistische Praxis, Bd. 60 S. 358 u. fg.
und Francke ebenda Bd. 62 S. 490 u. fg.
2) Die Theorie vom Rechte des Wohnsitzes als dem Sitze des Ge-
sammtvermögens läßt uns aber auch in manchen Fällen ganz im Stiche.
Wie, wenn der Schuldner gar keinen festen Wohnsitz hat, z. B. reisende
Schauspielunternehmer? wie, wenn der im Auslande wohnende Schuldner
Geschäfte im Jnlande betrieben hat, wenn es sich um im Auslande resi-
dwende deutsche Beamte handelt? Für die Prozeßzuständigkeit sind in diesen
Fällen Aushülfebestimmungen gegeben. Sollen diese für die materiell-
rechtliche Frage der Statutenkollision Anwendung finden können? Und

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