Rückwirkung und Rechtsgeschäft der AufrechnungSerklärung. 549
braucht er nicht baar zu zahlen und hat gegen ein desfallsiges
Ansinnen des Gläubigers das Recht der Zahlungsweigerung.
Und dies eben auch schon vor wirklicher Erklärung der Auf-
rechnung. Kommt aber weiter die Haftung des Bürgen für
die Schuldverbindlichkeit des Hauptschuldners in Frage, so muß
der Umfang dieser Haftung objektiv bestimmt sein, und dann
muß dem Bürgen auf Grund der Gegenforderung des Haupt-
schuldners das Recht der Zahlungsweigerung gegen
den Gläubiger zustehen, weil sonst seine Haftung umfänglich
größer sein würde, als die des Hauptschuldners. Daß bei der
entgegengesetzten Annahme der Bürge ein Plus von Verpflich-
tung gegenüber der des Hauptschuldners hätte, scheint mir doch
evident zu sein, wenn der Verlauf der Sache im einzelnen
Falle der sein würde, daß der Gläubiger zunächst den (selbst-
schuldnerischen) Bürgen in Anspruch nimmt, dieser zur Zahlung
an den Gläubiger verurtheilt wird, dann der Bürge den-
selben kraft des Gesetzes ihm cedirten Anspruch des Gläubigers
gegen den Hauptschuldner geltend macht, aber auf Grund der
von dem letzteren geltend gemachten Aufrechnung abgewiesen
wird nb). Im Bürgschaftsverhältniffe kommt es nicht sowohl
118) Dernburg (Bürgerl. Recht, Bd. 2 Abth. 1 S. 287)und Planck
(a. a. O- 2. Buch Note 2 zu § 770) wollen dem Bürgen ein Kompen-
sationsrecht mit Forderungen des Hauptschuldners jetzt nicht mehr zugestehen.
Ganz gewiß richtig und auch schon für das frühere Recht richtig, wenn
darunter zu verstehen ist, daß der Bürge nicht Wider den Willen des Haupt-
schuldners in dessen Geldbeutel greifen dürfe und mit dessen Gelde die
Schuld desselben berichtigen könne. Unrichtig, wenn man darunter nur
die in dem Kompensationsrechte des Hauptschuldners liegende Befugniß der
Zahlungsweigerung zu verstehen hat, die selbstverständlich noch keine Tilgung
der Schuld deS Hauptschuldners bewirkt. Aber ist es überhaupt wohl
denkbar, daß im Bürgschaftsrechte je nach der Lage des Falles eine andere
Theorie des Aufrechnungsrechts in Geltung getreten sein sollte, daß. wenn
8 770 der Möglichkeit einer Aufrechnung durch Anerkennung eines jus
retinendi des Bürgen Rechnung trägt, für § 767 die starre Rechtsgeschäfts-
theorie der Aufrechnung zu gelten habe?