Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 43 = 2.F. 7 (1901))

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Lippmann,

wie sie hiernach der Entwurf I versucht hat, muß auch um so
auffälliger erscheinen, als derselbe Entwurf im § 671 abweichend
von allem bisherigen Rechte und zu Gunsten des Bürgen diesem
alle, dem Hauptschuldner auch nur für dessen Person zuftehenden
Einreden gewähren wollte. Der Entwurf I und so auch § 768
des Gesetzbuchs enthält in der bezeichneten Richtung somit eine
Verfeinerung des Grundgedankens von der Subsidiarität der
Bürgschaftsobligation, die das alte Recht noch nicht heraus-
geholt hatte.
Die bisherigen partikularen Rechte haben daher überall
dem Bürgen das Recht der Kompensation gegeben oder, um
mich genauer auszudrücken, das Recht gegeben, unter Berufung
auf eine Gegenforderung des Hauptschuldners, auf die Mög-
lichkeit einer Aufrechnung Seitens des Hauptschuldners die
Befriedigung des Gläubigers definitiv zu verweigern. Der
I. Entwurf ist nur durch Konsequenzen aus seiner Rechts-
geschäftstheorie aus dem Geleise alter, feststehender Anschauungen
gerathen. Die II. Kommission ist dagegen im Wesentlichen
wieder auf den Standpunkt des alten Rechts zurückgekehrt,
indem sie geltend machte, daß die Aufrechnung im Gesetzbuche,
d. h. in den Bestimmungen der §§ 387 fg. lediglich einen
theoretischen Charakter habe und zu einer Aenderung des
materiellen Bürgschaftsrechts nicht führen dürfe.
Wenn der Hauptschuldner zu seiner Entlastung sich auf
ein Kompensationsrecht gegen den Gläubiger berufen kann,
so muß dies auch der Bürge können, da er eben nur in dem
Umfange wie der Hauptschuldner haftet. Wie der letztere in
seinem Verhältnisse zum Gläubiger den Umfang seiner Haft-
barkeit bestimmen will, steht lediglich bei ihm selbst. Er kann
die Forderung des Gläubigers baar zahlen, also einen weiteren
Kreis seiner Verpflichtung annehmen. Er kann aber auch
kompensiren und damit diesen Kreis enger ziehen. Jedenfalls

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