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Leo Rosenberg,
gesehen haben, nach Ablauf eines angemessenen Zeitraumes,
der dem Gläubiger zur Verfügung stehen muß, damit er stch
schlüssig werde, ob er die Wahl ausübe oder nicht. Der
§ 264 Abs. 2 will nun dem Gläubiger eine Nachfrist ge-
währen, und erst deren Versäumung hat den Uebergang des
Wahlrechtes zur Folge. Und auch die nochmalige Aufforderung
hat ihren guten, wohlbeabsichtigten Grund ; sie soll nämlich
den Gläubiger an sein Wahlrecht erinnern. Das ist der
Zweck aller der Bestimmungen, die vor dem Eintritte 'einer
ungünstigen Rechtsfolge dem davon Betroffenen eine ange-
messene Frist zur Nachholung des Versäumten gewähren, so die
§§ 283, 326, 542, 634. Deshalb muß auch im Falle des
§ 264 Abs. 2 der Schuldner den Gläubiger nochmals zur
Ausübung seines Wahlrechtes auffordern.
5) Diele Schwierigkeiten bereitete auch der schon erwähnte
Fall,daß dem Gläubiger das Spezifikalionsrecht zusteht. Daß
der Gläubiger durch Unterlassen der Spezifikation in Verzug kommt,
steht fest. Aber über die Folgen seines Verzuges herrscht in
Wissenschaft und Praxis große Uneinigkeit: einige geben dem
Schuldner ein Klagerecht auf Vornahme der Spezifikation ^),
andere auf den Mindestpreis8 9); wieder andere lassen den Selbst-
hülfeverkauf zu10); endlich eine vierte und letzte Meinung will
8) So Römer, Abhandlungen, Heft 1 S. I42sg.; Hirsch, S. 194;
Oertmann im Arch. f. d. civ. Praxis, Bd. 85 S. 222fg.; Ende-
mann, Einführung in daS Studium des B.G.B., S. 708; Entsch. d.
RO.H.G., Bd. 16 S. 204ff.; Entsch. des R.G., Bd. 26 S. 2i3ff.;
Bd. so S. 97 ff.
9) Hirsch, S. 166; Oertmann, a. a. O. S. 229; Entsch. des
R.G., Bd. 30 S. 97 ff.
10) Köhler in Jhering's Jahrb., Bd. 17 S. 359; Oert-
mann, S. 231; Entsch. des R.O.H.G., Bd. 22 S. 5; Bd. 15 S. 146;
Entsch. des R.G., Bd. 10 S. 95; Bd. 29 S. I7ff.; Urtheil des O.L.G.
in Kassel vom 28. November 1892, in Seuffert's Archiv, Bd. 47
Nr. 138; Entsch. des R.O.H.G. vom 7./25. November 1874, daselbst