Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 43 = 2.F. 7 (1901))

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Leo Rosenberg,

Entwurf des B.G.B. an u). Die Kommission für die zweite
Lesung des Entwurfes eines B.G.B.12) aber ging davon aus,
daß es nicht leicht Vorkommen werde, daß der Schuldner, ohne
bereit zu sein, anbiete; und um chikanösem Bestreiten des
Leistungsvermögens durch den Gläubiger zu begegnen, drehte
sie die Beweislast um, so daß also nach dem zweiten Entwürfe
und nach B.G.B. der Gläubiger behaupten und beweisen muß,
der Sckuldner sei in dem maßgebenden Zeitpunkte zur Be-
wirkung der Leistung außer Stande gewesen. Die Beweislaft-
vertheilung wird zum Ausdrucke gebracht durch die negative
Fassung des § 297: „Der Gläubiger kommt nicht in Ver-
zug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots oder im
Falle des § 296 zu der für die Handlung des Gläubigers
bestimmten Zeit außer Stande ist, die Leistung zu be-
wirken" 13).
Infolge dieser Beweislastvertheilung wird man dem Gläu-
biger das Recht einräumen müssen, sich von dem Leistungs-
vermögen des Schuldners zu überzeugen. Das haben zwar
11) Prot. I S. 1232 ff., Motive Bd. 2 S. 70.
12) Prot. II <S- 661.
13) Ueber die Bedeutung dieser negativen Fassung nur einige Worte:
Der Richter kann in einem Rechtsstreite einen Rechtssatz nur dann an-
wenden, wenn er von dem Vorhandensein seiner Voraussetzungen positiv
überzeugt ist. Ist in einem Verfahren mit Berhandlungsmaxime den
Parteien überlassen, das Material für die Ueberzeugung des Richters herbei-
zuschaffen, so wird jede Partei diejenigen Thatsachen zu behaupten und zu
beweisen haben, die den Thatbestand der Norm bilden, deren Rechtswirkung
sie geltend macht; vergl. meine „Beweislast nach der C.P.O. und dem
B.G.B.", Berlin 1900, insbesondere S. 36 ff., 40 ff., 58 ff. In unserem Falle
hat der Schuldner genug gethan, wenn er behauptet und bewiesen hat, daß
der Gläubiger die ihm angebotene Leistung nicht angenommen hat. Denn
diese Thatsache ist Voraussetzung der Anwendung deS § 293. Nun be-
stimmt aber § 297, daß der Gläubiger trotz § 293 nicht in Verzug geräth,
wenn der Schuldner nicht leistungsbereit ist. Will der Gläubiger, daß der
Richter 8 297 im konkreten Falle anwende, so muß er seine Voraussetzung
darthun, d. h. die mangelnde Leistungsfähigkeit des Schuldners beweisen.

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