Der Verzug deS Gläubigers.
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bereit zu sein, wo er die Leistung anbietet, und, wenn ein
Angebot nicht erforderlich ist, in dem Zeitpunkte, wo der
Gläubiger seine Mitwirkungsthätigkeit eintreten lassen muß;
so auch richtig B.G.B. § 297. Die Frage, ob der Schuldner
-auch nach dieser Zeit im Stande ist, die Leistung zu bewirken,
hat nur Bedeutung für einen etwaigen Berzug des Schuldners
selbst, insofern als er, wenn er schuldhast auf die nachträgliche
Aufforderung des Gläubigers nicht leistet, seinerseits in Verzug
fällt (arg. §§ 284, 285 B.G.B.). Damit wird allerdings der
Verzug des Gläubigers beendigt; aber solange das nicht der
Fall ist, bleiben die Wirkungen des Gläubigerverzuges unbe-
rührt, auch wenn der Schuldner aufgehört hat, leiftungsbereit
zu sein. Der Schuldner, der zur Zeit des Angebotes die Waare
zu seiner Verfügung hatte, braucht, wenn er über diese Waare
weiterverfügt, nicht zu fürchten, daß sein Gläubiger mit dem
Ginwande mangelnder Leiftungsbereitschast gehört werdet).
Wird in einem Prozeß das Vorhandensein der Leistungs-
bereitschaft streitig, so fragt es sich, ob der Schuldner be-
haupten und beweisen muß, daß er zur Bewirkung der Leistung
im Stande war. oder ob umgekehrt der Gläubiger behaupten
muß. das sei nicht der Fall gewesen. Das römische Recht
enthielt darüber keine Bestimmung, und man war im gemeinen
Rechte daher geneigt, von dem Schuldner den erforderlichen
Beweis zu verlangen^). Dieser Ansicht schloß sich der erste
9) Vergl. die Entscheidung deS O.L.G. in Dresden vom ll. Oktober
1895 in Seuffert's Archiv. Bd. 51 Nr. 174 S. 271; siehe auch Be-
gründung der Vorlage des Redaktors S. 59 a. E. fg.
10) Namentlich Leist, Arch. f. civ. Praxis, Bd. 83 S. 215; Munk,
S. 70 Note 271; vergl. Entfch. des R.O.H.G. vom 22. November 1871,
in Seuffert's Archiv, Bd. 26 Nr. 233 S. 349; siehe auch daS Erkenntniß
des Obertribunals in Berlin vom 16. Februar 1875 in Seuffert's
Archiv, Bd. 32 Nr. 216 S. 277.