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Karl Lehmann,
nach Außen die Gesellschaft noch nicht besteht. Ist die Ein-
tragung erfolgt, so tritt die Gesellschaft nach Außen ins Leben,
wird Gläubiger und Schuldner, Eigenthümer und Psandbe-
rechtigter, erwirbt und veräußert, zahlt Steuern und übt andere
öffentlichrechtliche Pflichten aus, engagirt Personal und be-
schäftigt Arbeiter, sammelt Reservefonds und amortisirt Aktien.
Und nachdem sie es kurze oder lange Zeit so getrieben, tritt
ein erheblicher Mangel im Gründungsstadium zu Tage, der
die Frage aufwerfen läßt, ob man überhaupt mit einer Aktien-
gesellschaft kontrahirt hat. Und wenn man eine verneinende
Antwort ertheilt, so tritt die weitere Frage heran, welche recht-
liche Folgen hat dieser Zusammenbruch für alle die angeknüpften
Rechtsverhältnisse und wie steht es mit dem angehäusten
Kapital?
Sieht man sich in der älteren handelsrechtlichen Literatur
Deutschlands um, so findet man über diesen Punkt wenig
Selbständiges. Solange das alte Octroysystem währte, war
dies erklärlich genug. Die lex 8xeeia1i8, welche der einzelnen
Kompagnie im 17. und 18. Jahrhundert ihr Sonderrecht ge-
währte, war einzige und erschöpfende Quelle für sie, soweit sie
nicht auf das gemeine Reckt verwies — was gerade für die
hier zu behandelnde Frage nicht der Fall war. Etwaigen
Mängeln in der ursprünglichen Organisation konnte durch
Nachtragsoetroys geholfen werden und erwies sich das Ganze
als verfehlt, so dekretirte der Gesetzgeber die Kassirung der
Kompagnie.
Mit dem Moment, wo das Aktienrecht den Fortschritt zu
generellen Normen machte, mußte die Frage nach den Wir-
kungen von Entstehungsmängeln sich erheben. Diese Frage
beantwortete sich nach bürgerlichem Recht, wenn die Aktien-
gesellschaft unter keinem anderem Gesichtspunkt als dem der
bürgerlichen „Gesellschaften" oder „Vereine" betrachtet wurde.