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Ernst Freih. v. Schwind,
worden, und was Gerber zur Bekräftigung seiner Lehre
selbst noch angeführt hat J), wird kaum geeignet sein, alle
Bedenken zu beseitigen. Jedenfalls liegt hierin der wundeste
Punkt in dem Systeme, das G e r b e r auf Grund der von
ihm gewählten Prämissen in logisch klarer und konsequenter
Weise aufgebaut hat.
Es ist ein kleiner Schritt, den Mitteis 1 2) auf dem von
Gerber eingeschlagenen Wege weiter gethan hat, um auch
diese letzten theoretischen Schwierigkeiten zu beseitigen. Auch er
steht völlig aus dem Standpunkte der G e r b e r 'schen Lehre, auch
er sieht in den Reallasten nur an den Besitz von Grund und
Boden geknüpfte Obligationen, nur stellt er über die Einzel-
leiftungen nicht jene metaphysische Gesammtobligation, als deren
„Pulsschlag" und „dynamische Wirkung" diese zu deuten wären.
Ihm führen die Reallasten, als Ganzes betrachtet, „als selb-
ständige Rechtsindividuen nur eine Scheinexistenz, indem sie
nichts anderes bedeuten, als die in gewissen Beziehungen er-
folgende juristische Zusammenfassung ganzer Reihen von Einzel-
obligationen". Diese Zusammenfassung betrifft die Verjährungs-
frage, die bücherliche Radizirung, die Zuerkennung von Prä-
judizialklagen und besonderen Gerichtsständen u. dergl., was alles
nur auf dem Zwecke praktischer Angemessenheit und Verein-
fachung beruht. „Mit voller Sicherheit" ergiebt sich ihm aus
all dem, „daß der lange fortgesponnene Streit, ob die Real-
lasten als solche dinglicher oder obligatorischer Natur seien,
völlig gegenstandslos ist, indem denselben eigentlich überhaupt
gar keine, daher auch weder eine dingliche, noch eine obliga-
torische Existenz zukommt." „Vielmehr ist die Reallast als
solche weder ein Forderungs- noch ein dingliches Recht, sondern
1) Jb. f. Dogmatik 6, 266 ff.
2) Die Jndividualisirung der Obligation, 1886, S. 35.