Full text: Zeitschrift für die deutsche Gesetzgebung und für einheitliches deutsches Recht (Bd. 8 (1875))

des Grundergenthums in Preußen.

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Wegen der vielfachen Zweifel und Streitigkeiten, welche in dieser
Beziehung bestehen, ist es sehr anerkennenswerth, daß das preußische

haben die Enteignung meist als einen erzwungenen Kauf aufgefaßt (vgl. die in mei-
nem Recht der Expropriation S. 184, Anm. 1 Citirten), während sich alle neueren,
mit alleiniger Ausnahme von D alcke (a. a. O. Anm. 107, S. 130) dagegen erklären.
(Mein Recht der Expropriation S. 184ff.; Laband a. a. O. S. 171 ff.; Stein
a. a. O. S. 324; Grünhut a. a. O. S. 178; Roesler, Lehrbuch des deutschen
Verwaltungsrechts, § 195.) In meinM.Mech1e der Expropriation (a. a. O.) habe
ich der älteren Auffassung die Ansicht gegenübergestettt, daß die Erwerbung des
dinglichen Rechtes, welche als Zweck der Expropriation erscheint, durch ein zwei-
seitiges obligatorisches Rechtsverhältniß «iuas1 ex contractu vermittelt wird, als
dessen Typus der Kauf erscheint. Dem ist nun in neuerer Zeit wieder Laband
a. a?D. S. 17^^^"dem sich im Wesentlichen Grünhut a. a. O. S. 178 ff7"an-
geschloffen hat, entgegengetreten. Nach ihm erfolgOder Eigenthumsübergang un-
mittelbar durch Gesetz, dhne daß es dabei einer Vermittelung durch ein vorher-
gehendes obligatorisches Rechtsverhältniß bedürfe; dagegen reiht sich die Verpflich-
tung des Exproprianten den Expropriaten zu entschädigen, den quasi-contractlichen
oder gesetzlichen Obligationen völlig ein und kann nach Analogie der Verbindlich-
keiten eines Käufers beurtheilt werden. — Auf eine ausführliche Erörterung über
die Streitfrage kann ich mich an diesem Orte leider nicht einlassen; ich,beschränke
mich daher auf folgende kurze Bemerkungen. Es ist zuzugeben, daß nach vielen
Enteignungsgesetzen, so z. B. nach dem vorliegenden preußischen — übrigens keines-
wegs nach allen — eine Tradition Seitens des Expropriaten, also eine Leistung
deffelben, nicht erfordert wird, von einer Obligation daher nicht die Rede sein kann.
Aber zweifellos besteht bereits vor dem Erwerbe des dinglichen Rechtes ein An-
spruch des Exproprianten auf dasselbe, und dem Ansprüche correspondirt eine Ent-
schädigungspflicht. Dieses dem Eigenthums- oder sonstigem Rechtserwerbe voraus-
gehende Verhältniß ignorirt Laband vollständig. Und doch ist gerade die Bestim-
mung der Perfection dieses Verhältnisses, d. h. die Feststellung desjenigen Zeit-
punktes, in welchem beide Theile definitiv gebunden sind, der praktische Kern der
ganzen Frage. Nur einmal streift er an den Gegenstand an, wenn er nämlich
S. 181 sagt: „Zeitlich geht die Zahlung gewöhnlich der Entziehung des Eigen-
thums voraus; logisch ist die Enteignung das Frühere, die Verpflichtung zur
Schadloshaltung erst die Consequenz davon." Aber diese „logische" Construction
ist weder geeignet einen Maßstab für die Entscheidung der betreffenden Rechts-
fragen an die Hand zu geben, noch entspricht sie der tatsächlichen Lage unserer
Gesetzgebungen. Nach diesen ist die Zahlung der Entschädigung keine Conse-
quenz, sondern eine Voraussetzung des Eigenthumsüberganges. — Grünhut
a. a. O. S. 187 ff. hat die Frage behandelt und als Moment der Perfection den
Zeitpunkt bezeichnet, in welchem sich der Enteignete entweder dem Enteignungs-
antrage ausdrücklich oder stillschweigend unterworfen oder die Rechtsmittel gegen
den Enteignungsausspruch verbraucht hat. Er motivirt dies dadurch, daß er sagt:
in der Person des Eigenthümers oder dinglich Berechtigten sei nun-
mehr der die Enteignung charakterisirende Wechsel vor sich gegangen, an die

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