16.2.
Handbuch des Handelsrechtes, von Dr. L. Goldschmidt
Literatur.
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durch neue überwunden worden, aber sich in einzelnen Punkten konservirt
haben, und wie sich auf diese Weise viele Sonderheiten erklären lassen,
deren logische Rechtfertigung man vergeblich versucht hat. So sind ihm
beispielsweise die bekannten Grundsätze beim Kauf von dem Uebergange
der Gefahr von der Reservation des Eigenthums vor Zahlung des
Kaufpreises nichts weiter, als Ueberreste aus einer Zeit, da der Kauf
Realvertrag war, und der Satz, daß der Depositar beim Hinterlegungs-
vertrag nur für Arglist hastet, eine Reminiscenz an die Zeit, da es noch
keinen solchen Vertrag gab, und die Klage aus der Hinterlegung ledig-
lich bei Unterschlagung der hinterlegten Sache zustand.
Ueber das zweite Moment, das die Methode des Verfassers kenn-
zeichnet, spricht sich der Verfasser selbst in der Vorrede aus: „Es will
mir erscheinen, als unterschätze man vielfach die unjuristischen Bestand-
theile des klassisch-römischen Rechtssystemes; als stelle man sich oft Zwölf-
tafel-, Edikts- und Konstitutionenrecht der früberen Kaiserzeit nur als
logische Formulirung oder konsequente Weiterbildung längst vorhandener
Rechtsideen vor als vergäße man hie und da der theoretischen Thätig-
keit der römischen Jurisprudenz gegenüber, daß an der Neuschaffung von
Rechtssätzen nicht blos das abstrakt-logische Denken arbeitet, sodern auch
die soziale Anschauung." Die Berechtigung, dieser herrschenden Behand-
lung der Sache gegenüber auch die soziale Anschauung zur Geltung zu
bringen, wird niemand bestreiten; daß dies bisher nicht hinreichend ge- ^
schehen, lag auch nicht in einer bewußten Ablehnung der Perniee'schen '
Sätze, sondern in der wesentlich dogmatisirenden Richtung unserer Juris-
prudenz.
Der bisher erschienene erste Band umfaßt eine Gelehrtengeschichte
des Labeo und die Darstellung der allgemeinen Lehren, mit Ausschluß
der Lehren von den Motiven und den Nebenbestimmungen der Rechts-
geschäfte, sowie von äolus und culpa. Ich muß mir ein Eingehen an
dieser Stelle versagen; vielleicht daß nach Erscheinen der folgenden Ab-
theilungen mir auch Gelegenheit geboten wird, eine ausführliche Dar-
stellung zu geben. Für jetzt möchte ich nur hoffen, daß meine Zeilen
den im Eingänge gewünschten Erfolg haben möchten.
Heidelberg. vr. Max Cohn.
Goldschmidt, vr. Rath am Reichs-Oberhandelsricht, Handbuch des
Handelsrechtes. Erster Band. 2. völlig umgearbeitete Austage.
Erste Lieferung (Vogen 1—20). Erlangen, Verlag von Ferd.
Enke. 1673. 8".
Goldschmidt's Handbuch nimmt gegenwärtig unzweifelhaft die erste
Stelle in unserer handelsrechtlichen Literatur ein. Daß der Verfasser bei
der längst nöthig gewordenen neuen Auflage des vor 10 Jahren erschie-
nenen ersten Bandes sich nicht mit einem bloßen Wiederabdruck begnügen
würde, ließ sich nach der Gewissenhaftigkeit, welche alle seine Arbeiten