Full text: Zeitschrift für die deutsche Gesetzgebung und für einheitliches deutsches Recht (Bd. 7 (1874))

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Literatur.

grade in diesem Augenblick eine besondere Bedeutung verleiht: das Zu-
standekommen eines deutschen Gesetzbuches ist nur eine Frage der Zeit;
mit diesem aber wird das Studium des sogenannten gemeinen Rechtes
aufhören. Niemand wird wollen, daß wir von da ab auch das römische
Recht verbannen sollen; vielmehr wird es seinen propädeutischen Werth
behalten müssen, soweit ihm ein solcher zukommt. Dies gilt aber wesent-
lich nur für das klassische Recht, und die Bearbeitung des klassischen
römischen Privatrechtes ist daher grade mit Rücksicht auf die Zukunft eine
dringende Aufgabe.
Ist nun das Unternehmen des Verfassers ein im höchsten Grade
bedeutendes und anerkennensmerthes, so gilt dies, von der oben beregten
Ausstellung abgesehen, gleichermaßen für seine Ausführung. Mir sind
wenige rechtswissenschaftliche Arbeiten bekannt, die mit einem so beschei-
denen Auftreten einen so großartigen Apparat verbinden. Dies gilt zu-
nächst von den Quellen. Daß die Rechtsquellen im engeren Sinne voll-
ständig erschöpft, daß Cicero und Plautus, Festus und Varro
benutzt worden sind, wird sich ein Forscher von der Solidität des Ver-
fassers nicht als besonderes Verdienst anrechnen lassen wollen; aber auch
die späteren Grammatiker haben herhalten müssen, und die Inschriften
sind fleißig exzerpirt. Vielleicht wendet man ein, daß, wie es ja bei histo-
rischen Arbeiten der Fall ist, dem nicht ganz speziell informirten Leser
eine Kontrole über die Vollständigkeit einerseits und originale Be-
schaffung des Materiales andererseits fehlt. Ich selbst indeß bin bei
einigen Abschnitten des Pernice'schen Buches in der Lage gewesen, die
Probe auf die Rechnung zu machen und mich von den Vorzügen des
Apparates zu überzeugen, da ich beim Erscheinen des Labeo einige
Fragen aus der römischen Rechtsgeschichte zu bearbeiten im Begriff war,
die auch dort ihre Besprechung gefunden haben. Und dieses massenhafte
Material ist in entsprechender Weise zu einer Darstellung verarbeitet
worden, die sich durchweg auf der Höhe erhält. Nur wäre wohl zu
Zeiten eine größere Uebersichtlichkeit derselben zu wünschen gewesen, was
vielleicht schon damit erreicht worden wäre, wenn der Verfasser im Be-
ginn der einzelnen Abschnitte eine Uebersicht seiner Disposition gegeben
hätte. Das Buch ist nicht leicht zu lesen; häufig mußte ich lange nach
der Beziehung und Verbindung eines Absatzes zum andern suchen, natür-
lich mit Erfolg, denn der gerügte Mangel ist nur eine formelle Aus-
stellung; aber ich hatte mich nachgerade an diese Operation derart ge-
wöhnt, daß ich, als ich S. 453 A. 17 auf eine solche Schwierigkeit stieß,
erst sehr spät auf den einzig denkbaren Ausweg kam, daß dieser Absatz
wirklich durch ein Versehen des Druckes an diese Stelle gekommen ist.
Die Methode des Verfassers ist durch zwei Umstünde hauptsächlich
gekennzeichnet: einmal in der historischen Verwerthung der Pandekten-
fragmente. Der Verfasser, gestützt auf den Gedanken, daß die Pandekten
den Stoff einer dreihundertjährigen Rechtsentwickelung enthalten, versucht
nun die historischen Entwickelungsstadien aus diesen klarzulegen. Wenn
also Labeo und Zulian auseinandergehen, so findet er den Grund nicht
in einer Verschiedenheit der wissenschaftlichen Individualitäten, sondern
in der zeitlichen Differenz. Auf diesem Wege gelingt es ihm, häufig
frappante Schlaglichter auf die Entwickelung eines Instituts zu werfen:
er weist nach, wie häufig alte Rechtsanschauungen zwar im Wesentlichen

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