Full text: Zeitschrift für die deutsche Gesetzgebung und für einheitliches deutsches Recht (Bd. 7 (1874))

502 - Wachtel: Zur Verbesserung der deutschen Aktien-Gesetzgebung.
kann und nur dann werden Gründer und erste Zeichner Vorrechte
geltend machen. Würde nun, so lange die Aktien früherer Emissionen
noch nicht voll eingezahlt sind, doch eine Emission neuer Aktien ge-
stattet werden, so würde dies nur im Interesse der Gründer oder ersten
Zeichner geschehen können. Denn die Aktionaire haben durchaus kein
Interesse daran, anstatt beispielsweise 100 Aktien mit voller Einzahlung
deren 200 zu besitzen, von welchen 100 Stück mit 60, und 100 mit
40 Prozent eingezahlt sind. Im Gegentheil, jeder in diesen Verhält-
nissen praktisch Crfahrere weiß, daß regelmäßig jene 100 vollgezahlten
Aktien unter im Uebrigen gleichen Verhältnissen einen höheren Kours-
werth repräsentiren, als derselbe Betrag auf 200 Aktien vertheilt,
weil regelmäßig Institute mit vollgezahlten Aktien ceteris paribus ein
größeres Vertrauen genießen, als solche mit nur theilweise eingezahltem
Aktienkapitale. Der eventuell zu vertheilende Gewinn wird ebenfalls
auf eine vollgezahlte Aktie mindestens derselbe sein, wie auf zwei Aktien
mit je 60 und 40 Prozent. Welches Interesse hätten also die
Aktionaire, neue Aktien zu creiren, so lange sie die früher emittirten
Aktien noch nicht vollgezahlt haben? — Ich gehe weiter und behaupte,
daß selbst, wenn die Aktien erster Emission voll gezahlt sind, eine
neue Emission von Aktien mit Agio vom Standpunkte der Aktio-
naire zwecklos erscheint. Denn im besten Falle, wenn Gründer und
erste Zeichner von diesem Agio gar nichts bekommen, zahlen die Aktio-
naire auf einmal so viel aus ihrer Tasche zum Gewinn- und Reserve-
fonds, als sie später nach und nach in kleinen Portionen aus denselben
in Form größerer Dividenden wieder zurück erhalten:— eine gewiß
unschädliche, aber auch unnütze Operation. Würde man aber entgegen
halten, daß unter Umständen die älteren Aktionaire nichi sämmtlich im
Stande seien, so viel Kapital auszubringen, als zum Bezüge der neuen
Aktien nöthig sein würde, so halte ich dem entgegen, daß erfahrungs-
gemäß für das sogenannte „Bezugsrecht" stets die Differenz zwischen
dem Emissionskourse und dem Börsenkourse bezahlt wird, der Aktionair
also in dieser Weise seinen Nutzen realisiren kann. Im Uebrigen. aber
finde ich kein Unrecht darin, denjenigen Aktionair, welcher nicht im
Stande ist durch Bezug neuer Aktien zur Ausdehnung und größeren
Nutzbarmachung des Aktien-Unternehmens beizutragen, von dem aus
diesen neuen Mitteln resultirenden Gewinne auszuschließen.
Cs kann also lediglich das Interesse der Gründer oder ersten
Zeichner, welche mit Vorrechten ausgerüstet sind, die Ausgabe neuer

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