Full text: Zeitschrift für die deutsche Gesetzgebung und für einheitliches deutsches Recht (Bd. 7 (1874))

Pfizer: Die Rechtskraft moderen Wirkungen ic. 443
Aehnlich wie mit der Einrede des eigenen Eigenthumes kann es
sich auch mit der gegeu eine Forderung eingewendeten Einrede der Zahlung
verhalten. A. hat z. B. gegen R. die Darlehnsklage erhoben, N. be-
hauptet, den A. dadurch bezahlt zu haben, daß er einen von T. ihm
acceptirten Wechsel über den Betrag des Darlehns durch Zndosiament
auf A. übertragen habe; A. räumt dies ein, beweist aber, daß von
T. keine Zahlung zu erlangen gewesen sei; der Richter weist die Klage
ab, „weil A. durch die Empfangnahme des Wechsels Zahlung erhalten
habe/ Wird dieses Urtheil formell rechtskräftig, so hat durch dasselbe
A. seine Forderung verloren; was aber ist materiell rechtskräftig fest-
gestellt? doch wiederum gewiß nicht der Satz, daß die behufs zu er-
wirkender Zahlung erfolgte Begebung eines Wechsels durch den Schuld-
ner an den Gläubiger Zahlung an letzteren sei? Rechtskräftig sestgestellt
ist neben der zugestandenen Thatsache der erfolgten Zndossirung nur die
nicht erfolgte Zahlung Seitens des T.: aus diesen Thatsachen folgt
aber die gegebene Entscheidung nicht, darum ist auch dieses Urtheil
materiell nichtig.
Wir sehen: Savigny vermengt, indem er von der Rechtskraft der
objektiven Entscheidungsgri'mde handelt, die formelle und die materielle
Rechtskraft: seine Elemente des Urtheiles werden allerdings förmliches
Recht, aber nicht kraft —, sondern trotz der Wahrheit oder der
Fiktion der Wahrheit der vom Richter sestgestellten Thatsachen.
Auf die Frage: „Wenn in dem vollständigen Gedanken des Richters
„das logische Berhältniß von Grund und Folge enthalten ist (und
„dieses wird sich meistens darin finden), müssen wir dann auch einem
„solchen Grunde die Rechtskraft zuschreiben?" antwortet Savigny (a.
a. O. S. 352) mit ja; und logisch richtig sind allerdings die Ent-
scheidungen des Richters in den obigen Beispielen, aber daraus, daß
ein Syllogismus formell in Ordnung ist, folgt doch noch keineswegs
die materielle Wahrheit oder Richtigkeit seiner Prämissen.
tz. 6.
Gesetzliche Bestimmungen über die Rechtskraft
der Entscheidungsgründe.
Ist in der Doktrin der Streit über die Rechtskraft der Gründe
noch heute nicht geschlichtet — vgl. Windscheid, Pandekten §. 130 n.
20 —, so zeigt sich in der Praxis eine entsprechende Unsicherheit,
welcher auch durch die Bestimmungen der modernen Prozeßgesetze nicht
abgeholfen wird. Zwar ist, wie oben hervorgehoben wurde, die Frage
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