Full text: Zeitschrift für die deutsche Gesetzgebung und für einheitliches deutsches Recht (Bd. 7 (1874))

im Beweisverfahreu des (Livilprozesses. 415
bezeichnen, welche nach Einleitung des betreffenden Prozesses wahrnehm-
bar gewesen sind, so würden alle diejenigen sachkundigen Personen,
welche im Lause eines Prozesses, wenn auch unaufgefordert, eine erheb-
liche Thatsache vermittelst ihrer besonderen Sachkunde wahrnehmen,
eben hierdurch ohne weiteres in die Reihe der eigentlichen Sachverstän-
digen eintreten. Das ist aber ein unmögliches Resultat.
Wir können als den Gegensatz der vergangenen Thatsachen also
nur solche bezeichnen, welche für den Richter gegenwärtig sind.
Gegenwärtig für den Richter sind nur solche Thatsachen. deren
Wahrnehmung in dem Momente erfolgen kann. in welchem der Richter
nach der Ordnung des Verfahrens mit ihnen sich zu befassen hat;
Beweisthatsachen also dann, wenn sie zur Zeit des Beweisverfahrens
wahrnehmbar sind. Vergangene Thatsachen und Zustände sind demnach
solche, denen das eben bezeichnete Merkmal mangelt.
Es fragt sich nur, ob wir 511 den vergangenen Thatsachen x. im
Sinne der obigen Festsetzungen nicht auch noch diejenigen zu rechnen
haben, welche zwar zu der Zeit der Beweiserhebung, aber ihrer Natur
nach nicht in der örtlichen Gegenwart des Richters wahrgenommen
werden können, von denen der Richter also erst dann etwas erfahren
kann, wenn die Wahrnehmung bereits stattgesunden hat, für ihn also
in der Vergangenheit liegt?
Sollte die letztere Auslegung des Wortes „vergangen" die zutref-
fende fein, so würde sich hiermit die reine Anwendung der Wetzellschen
Lehre ergeben. Gegen diese Auslegung spricht nur, daß das Wort
„vergangen" nicht zugleich das Gegentheil (contrarium) von der
zeitlichen und von der örtlichen Gegenwart bezeichnen kann, sondern
nur dasjenige von der zeitlichen Gegenwart allein.
Die von den Motiven angenommene Theorie Wetzell's ist also in
dem §. 349 (360) der Entwürfe keinenfalls zum sicheren Ausdrucke
gekommen. Läßt man die Motive bei Seite und versteht uuter„ ver-
gangenen" Thatsachen nur diejenigen, welche für den beweiserhebenden
Richter nicht zeitlich gegenwärtig sind, unter gegenwärtigen hingegen
diejenigen, welche der beweiserhebende Richter entweder mit eigenen
Augen oder durch abgeordnete sachverständige Hülfspersonen wahr-
nehmen kann, so würde sich hiermit die Scheidung der sachverständigen
Zeugen von den eigentlichen Sachverständigen in der von uns dar-
gelegten Weise vollziehen. Nur würde allerdings die Form des Aus-
druckes, welche die Entwürfe in Uebereinstimmung mit der wnrttem-

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