Full text: Zeitschrift für die deutsche Gesetzgebung und für einheitliches deutsches Recht (Bd. 7 (1874))

402 Boß: Die Stellung sachverständiger Anskunst-persouen
so muß man die Sachverständigen immer, verneint man es, so
darf man sie nie als Beweismittel bezeichnen.
Die Eivilprozeßentwürfe bezeichnen die Sachverständigen nicht
direkt als Beweismittel. Will man auf Grund von §. 231 (239)
in Verbindung mit §. 338 (349) annehmen, daß sie diese
Bezeichnung indirekt billigen, so ist doch andererseits gewiß, daß
sie nicht unterscheiden zwischen Sachverständigen, welche Beweis-
mittel sind, und solchen, welche es nicht find.
Wenden wir von hier aus noch einmal unseren Blick auf die Ein-
theilung der Sachverständigen in wahrnehmende (darstellende) und
urtheilende, so ergiebt sich, daß wahrnehmende Sachverständige häufig
nur auf Antrag der Parteien, urtheilende hingegen meist von Amts-
wegen zugezogen werden. Diese Beobachtung darf uns nicht verleiten,
in der gedachten Einteilung lediglich einen andern Ausdruck für die
Regel zu erblicken, daß der Richter bei der Zuziehung von Sach-
verständigen an die Grundsätze der Verhandlungsmaxime gebunden sei.
Denn hierbei steht uns nicht nur entgegen, daß, wie allgemein zuge-
standen wird, wahrnehmende Sachverständige unter Umständen vom
Richter aus eigenem Entschlüsse zu Hülfe genommen werden dürfen,
sondern auch, was nicht so häufig hervorgehoben wird, daß er nicht
immer urtheilende Sachverständige von Amtswegen berufen kann.
Letzteres gilt namentlich dann, wenn das Uriheil der Sachverständigen
das Element eines künstlichen Beweises ist.
Es ist also nicht mit Renaud, a. a. O. §. 149 Note 9 u. Text,
anzunehmen, daß die Zuziehung von urtheilenden Sachverständigen
stets eine von Amtswegen zu übende Pflicht des Richters fei.
Die angeführten Eivilprozeßentwürfe scheinen mit der obigen Aus-
führung üüereinzustimmen. Nur auf Grundlage der letzteren erklärt
es sich, wie nach den Bestimmungen der Entwürfe einmal der Richter
in jeder Lage des Rechtsstreites befugt sein soll, von Amtswegen Sach-
verständige zuzuziehen, und andererseits die Sachverständigen ohne
Unterscheidung unter den Beweismitteln ihre Stelle gefunden haben.
Die Motive zu §§. 337—349 des Eivilprozeßentwurfes von 1871
(348 — 360 des Entwurfes von 1872) sprechen sich über die Frage
nicht aus, unter welchen Umständen der Richter zur Einholung des
Gutachtens Sachverständiger von Amtswegen berechtigt sei, unter
welchen nicht. Im Ganzen stehen sie auf dem Boden der Wetzellschen
Theorie, und scheinen insbesondere mit dieser die im Aufträge des

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