John: Der höchste Neichögenchtöhof re. 187
nicht zur Entscheidung der Sache selbst, sondern nur zur Entscheidung
der Vorfrage führen kann, ob der höchste Gerichtshof zu entscheiden
oder nicht zu entscheiden hat.
Stellt man sich dagegen auf den formellen Standpunkt, d. h. geht
man davon aus — was bei der Fassung des Entwurfes und den Aus-
führungen der Begründung ebenfalls möglich ist — daß ohne Rücksicht
auf den Inhalt der Bestimmungen, Partikularrecht alles dasjenige sei,
was einmal als Gesetz von einem Staate pubtieirt wurde, so gestaltet
sich die Sache um nichts günstiger.
Zunächst nämlich würde nicht einzusehen sein, weshalb dieser
bestimmte Rechtssatz zur Begründung der Oberrevision nicht geeignet
sein solle, wenn er in einem partikulären Gesetzbuche enthalten ist,
obwohl doch derselbe Rechtssatz zur Begründung der Revision sehr wohl
geeignet ist, falls nur seine Geltung ans die Thatsache der Reception
des Justinianischen Rechtes, oder auf den Umstand gestützt werden kann,
daß seine Aufnahme in ein Partikntargesetzbuch erfolgt ist, dessen Wirk-
samkeit sich über mehrere Revisionsgerichtsbezirke erstreckt.
Und hiervon abgesehen, wo eine Gemralcodifieation nicht statt-
gefunden hat, gilt doch das römische Recht als subsidäres Recht.
Der höchste Gerichtshof wird also doch zu entscheiden haben, ob die
Bestimmungen des subsidären Rechtes in dem vorliegenden Falle nicht,
oder nicht richtig angewendet seien. Diese Entscheidung kann aber doch
. gar nicht anders getroffen werden als dadurch, daß man zunächst die
Bestimmungen des partikulären Rechtes kennen lernt, um zu ersah-
ren, ob das römische Recht als subsidäres Recht hätte zur Anwendung
kommen müssen, oder ob dem subsidären Rechte durch das partikuläre
Recht derogirt sei. Bis zu welchen speziellen Untersnchnngen dies
unter Umständen führen kann, dafür möchte ich als Beleg einen Rechts-
fall anführen, der unlängst von dem Oberappellationsgericht zu Lübeck
entschieden wurde. Die Frage bestand im Wesentlichen darin, ob die
Vorschrift der Nov. 72 Kap. 4 — der zur Vormundschaft Berufene
soll eine ihm gegen den Minorennen zustehende Forderung bei Strafe
des Verlustes dieser Forderung vor Uebernahme der Vormundschaft
anmelden — durch die b remis che Vormundschaftsordnung von 1826
außer Kraft gesetzt sei, oder ob nebelt diesem partikulären Gesetze die
angeführte Vorschrift des römischen Rechtes als subsidäres Recht noch
Gültigkeit behalten habe. Das Öberappellationsgericht entschied sich