Full text: Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts (Bd. 17 = N.F Bd. 5 (1879))

Ungewißheit des Gläubigers als Depositionsgrund. 9
Weshalb dieser alle Rechtsgeschäfte beherrschende Grundsatz auf
das Rechtsgeschäft der Deposition nicht anwendbar sein sollte,
ist nicht abzusehen. Durch die Deposition will der Schuldner
den Vortheil erreichen, daß er sich von seiner Schuld befreiet.
Dazu ist eine justa caussa depositionis erforderlich. Eine
solche kann aber nicht in der lediglich aus seiner Rechtsunwissen-
heit hervorgehenden subjektiven Ungewißheit des Schuldners
darüber, wer sein Gläubiger sei, enthalten sein, denn regula
est, juris ignorantiam cuique nocere. Wer rechtliche Be-
denken darüber hat, ob A oder B sein Gläubiger sei und we-
gen dieser auf seiner juris ignorantia beruhenden Zweifel die
schuldige Sache deponirt, der wird nach jenem Grundsätze da-
durch nicht frei von seiner Schuld; seine Rechtsunwissenheit
schadet ihm, weil in Wahrheit Ungewißheit des Gläubigers
nicht vorlag; non per creditorem stetit, quominus solvatur,
sed per debitorem. Der Schuldner haftet deshalb nach der
Deposition dem Gläubiger ebenso wie vorher; der Anspruch auf
Zahlung ist gegen ihn begründet geblieben; er trägt noch die
Gefahr der deponirten Sache u. s. w.
Die Rechtsgrundsätze, nach welchen der Ein-
fluß der Rechtsunwissenheit (des Rechtsirrthums)
auf Rechtsgeschäfte zu beurtheilen ist, entscheiden
auch darüber, ob wegen subjektiver Ungewißheit
des Gläubigers der Schuldner sich von seiner
Schuld durch Deposition befreiet hat.
Es ist kaum erforderlich, an der Hand dieses Grundsatzes
zu untersuchen, in welchen Fällen die wegen subjektiver Unge-
wißheit des Gläubigers erfolgte Deposition den Schuldner den-
noch von seiner Verbindlichkeit zu befreien geeignet sein möchte.
Diese Untersuchung würde nur dann eine erschöpfende sein kön-
nen, wenn wir die nicht unbestrittene Lehre von den Folgen
des Rechtsirrthums (der Rechtsunwissenheit) bei Rechtsgeschäf-

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