Full text: Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts (Bd. 4 (1861))

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Jhering,

Kellner fällt ohne seine Schuld mit der Flasche Wein, die er
für den Gast aus dem Keller geholt hat, die Eier, Milch, das
Brod, Fleisch u. f. w., welche erwiesenermaßen für diese Haus-
frau bestimmt waren, gehen vor der Ablieferung zu Grunde; ha-
ben die Besteller hier etwa die Gefahr zu tragen? Gewiß nicht!
Aber warum nicht? Nicht etwa darum, weil es an der Aus-
scheidung oder an der Gewißheit fehlte, daß diese Species
für diesen Besteller ausgeschieden sei, denn wenn keiner der
übrigen anwesenden Gaste eine Flasche von dieser Sorte be-
bestellt hat, oder wenn nur ein einziger Gast anwesend ist, so ist
es ja zweifellos, daß die Flasche Wein für ihn geholt ist, und
wenn, wie es nicht selten der Fall ist, die Hausfrau ihre
Milch von einem benachbarten Gute bezieht, und letztere dort
in ein verschlossenes Gefäß gefüllt wird, zu dem nur sie den
Schlüssel hat, so ist es ja ebenfalls unbestreitbar, daß diese
Milch für diese Bestellerin ausgeschieden ist. Die Speeies ist
hier unzweifelhaft hergestellt; wenn also mit dem Ucbergang
des generisch bestimmten in den individuell bestimmten Gegen-
stand die Gefahr auf den Käufer übergeht, so haben jene
Personen dieselbe nicht minder zu tragen, als der Kaufmann,
dem die von ihm verschriebenen Maaren auf der Eisenbahn
untergehen. Ohne nun auf den Protest, den jede Hausfrau
und jeder Stammgast gegen diese Entscheidung erheben würde,
sonderliches Gewicht zu legen, so wird doch der Jurist ein-
raumen, daß wie bei dem Kauf einer Speckes, so auch bei
Bestellungen, — so möge fortan der Kauf einer generisch
bestimmten Sache genannt werden, — die Parteien es in der
Hand haben, über die Frage von der Gefahr ihre Vereinba-
rungen zu treffen, und daß es dennoch eine quaestio facti ist,
ob die Gefahr bis zur Lieferung beim Verkäufer bleiben, die
Gefahr des Weges und Transports also ihn treffen, oder be-
reits mit der Ausscheidung, Absendung oder mit welchem Mo-

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