Volltext: Archiv für Theorie und Praxis des allgemeinen deutschen Handelsrechts (Bd. 11 (1867))

254 Königreich Preußen. Art. 323. (319. 347.)
Art. 323. (319. 347.)
Unbestellt empfangene Maaren. — Perfektion
des Kaufvertrages. — Wirkung der Disposi-
tionsstellung und des theilweisen Verbrauchs.
Erk. des Stadtgerichts zu Berlin vom 8. April 1867.
(Original-Beitrag.)
Die alte Controverse, ob durch stillschweigendes Behalten unbe-
stellt empfangener Maaren wenigstens unter Kaufleuten ein Kauf-
vertrag zu Stande kommt*), ist bekanntlich auch durch das H.-G.-B.
nicht zum Schweigen gebracht und macht in der Praxis viel zu
schaffen. In der neuesten Zeit ist die wachsende Neigung zur Ver-
neinung der Frage unverkennbar. Man mag es als in der „Billigkeit
und Menschenfreundlichkeit" liegend**) ansehen, daß der Empfänger
den Absender nicht lange über seine Entschließung in Ungewißheit
lasse; aber die Mehrzahl der Gerichte nimmt eine rechtliche Ver-
pflichtung zu solcher Erklärung nicht an***). Unverkennbar ist die
Perfectionslehre des Handelsgesetzbuchs auf diese Frage nicht ohne
Einfluß und macht die Gerichte der Annahme einer entgegenstehenden
Gewohnheit des Handelsverkehrs, wie sie früher vielfach behauptet
wurde, schwerer zugänglich. Aber wenn auch diese der Wirksamkeit
derartiger im Handelsverkehr fortwährend überaus üblicher Offerten
ungünstige Meinung heutzutage bereits als die gemeine betrachtet
werden darf, und selbst die Entscheidungen sächsischer Gerichte —
sonst Hauptvertreter der anderen Ansicht — sich derselben neuerdings
zuneigen-f), so führt doch die verschiedenartige tatsächliche Gestaltung
*) Dieselbe hat auch monographische Bearbeitung erfahren durch Klemm,
„lieber die stillschweigend übernommene Verbindlichkeit zur Bezahlung des Kauf-
preises unbestellt empfangener Waare," 1854, Leipzig.
**) Treitschke, Kaufcontract, 2. Aust., 1865, S. 130.
***) So derselbe. Der Herausgeber der 2. Aust. (Wengler) ist nicht so
entschieden; sondern findet im Gegentheil in der Rücksicht auf das Gedeihen des
Handels und die kaufmännische Ordnung eine genügende Rechtfertigung der
gegnerischen Meinung, — s. d. Notea) das., S. 132. — Vgl. dagegen Busch,
Archiv. Bd. I, S. 351 flg.; Bd. II, S. 387; Bd. VII, S. 44. 237 flg.; Bd. VIII,
S. 165 flg.; Bd. IX, S. 178 flg.
ch) Vergl. Busch, Archiv, Bd. VII, S. 54. Löhr, Centralorgan, N. F-,
Bd. II, S. 206. Ohne Motivirung nimmt Willenseinigung an Förster,
Theorie u. Praxis des preuß. Privatrechts, Bd. II, S. 60, Note 96.

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