XXII Die Einführung der allgem. deutsch. Wechsel-Ordnung,
Haupt gewöhnen und gewöhnen müssen, in der Gesetzgebung, so, wie
sie geschieht, mit der Aufstellung von Principien zu operiren und die
vernünftige Anwendung derselben der freien richterlichen Thätigkeit
zu überlassen, ohne diese letztere nach der früher beliebten Weise durch
detaillirte Vorschriften immer im engsten Raume festzuhalten.
Gewiß wird jeder Unbefangene den § 2 lieber so lauten sehen,
wie er lautet, als so, wie er lauten würde, wenn er, den Gerichten
jede Eigenthätigkeit ersparend, nummernweise die einzelnen landes-
gesetzlichen Bestimmungen, welche außer Kraft treten sollen, auf-
marschiren ließe. Wenn sich die Bundesgesetzgebung nicht scheut, so
zu verfahren, wie in § 2, wird sie unzweifelhaft ein besseres Theil
erwählen, als wenn sie, nur vermeintlich der Rechtssicherheit zu Liebe,
auf Ersparniß des selbstständigen Denkens und Urtheilens der
Gerichtshöfe ausginge.
Zudem konnte in diesem Falle darauf hingewiesen werden, daß
die Resultate des großen Grundsatzes, den §2 proclamirt, umso-
weniger besorglich erscheinen, wenn in demselben Augenblicke die Ein-
setzung eines einheitlichen obersten Handelsgerichtshofes beschlossen
wurde. Ohne Gemeinsamkeit der höchsten Instanz möchte allerdings
nicht ohne Grund zu fürchten sein, daß die Urtheile der verschiedenen
obersten Gerichtshöfe der einzelnen Staaten, von denen ein jeder un-
willkürlich das Bestreben empfinden muß, die eigenen Landesgesetze
womöglich zu schützen, nicht unbeträchtlich auseinander gehen werden.
Ein gemeinsames oberstes Handelsgericht wird wenigstens innerhalb
seiner Competenz Einheit der Rechtssprechung herbeiführen und in
seinem Urtheil von selbst über jede blos particulare Stimmung hinaus-
gehoben sein. Ihm wird vorzugsweise der Beruf zufallen, sich über
die Verträglichkeit oder Unverträglichkeit gewisser landesgesetzlicher
Bestimmungen neben den Gesetzbüchern auszusprechen.
Im Einzelnen ist noch Folgendes zu bemerken:
1) Der Paragraph trifft die bei oder nach der Einführung
erlassenen Vorschriften. Darunter sind also nicht blos die Ein-
führungsgesetze oder Verordnungen, sondern auch die später und in
anderen Landesgesetzen erlassenen ausdrücklich mitbegriffen. Der
Ausdruck „Vorschriften" ist als ein möglichst allgemeiner gewählt
worden. Es kommt darnach durchaus nichts darauf an, ob die be-
treffende Bestimmung in einem Gesetze, oder ob sie in einer Verordnung,