Königreich Preußen. Art. 313—316.
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klagten ein Einwand überhaupt nicht entnommen und würde deren
Unterlassung nicht ein Wegsall des Retentionsrechts der Kläger,
sondern nur deren Pflicht zum Schadenersatz zur Folge haben können.
Ein solcher ist vom Verklagten aber gar nicht geltend gemacht worden.
Aus welchen Gründen endlich das ihnen nach den Art. 313—
315 a. a. O. zustehende Recht von den Klägern ansgeübt wird, ist
in rechtlicher Beziehung gleichgültig, da jeder, soweit er ein Recht hat,
auch gesetzlich befugt ist, dasselbe auszuüben, § 88 Einl. zum allg. L.-R.
y.
Art. 313—316.
Inwiefern wird das kaufmännische Retentionsrecht
durch Verkauf der zu retinirenden Gegenstände und
Ausstellung eines Extraditionsscheines Seitens des
Schuldners beseitigt?
Erk. d. Stadt-Gerichts zu Berlin vom 11. November 1867.
(Original-Beitrag.)
Mittelst Vertrages vom 1. März 1866 kaufte die Handels-
gesellschaft S. & Co. zu Berlin von dem Holzhändler M. dessen
daselbst belegenes Grundstück, sowie eine speciell verzeichnete Quan-
tität Nutzhölzer zur Errichtung eines Nutzholzgeschäfts. Zu diesen
Hölzern gehörten unter Andern 55000 laufende Fuß dreiviertelzöllige
Stammbretter, welche vor mehreren Jahren auf der Dampfschneide-
mühle des Ed. K. zu Berlin geschnitten worden waren und dort noch
zur Verfügung von M. lagerten. M. stellte der Gesellschaft S. & Co.
unterm 1. März 1866 einen Extraditionsschein aus, und diese sandte
denselben mittelst Schreibens vom 9. dess. Monats an K-, welcher
ihn nicht zurückwies. Etwa i14 Tage nachher begab sich einer der
Socien, S., nach dem Lagerplatze des K., zählte mit ihm die Bretter
durch und ließ die einzelnen Stapel durch Herauflegen hinunterge-
fallener Bretter wieder in Ordnung bringen. Ein Theil der Bretter
ist sodann ohne Widerspruch des K. für S. & Co. abgefahren. Erst
als am 9. Mai 1866 Concurs über das Vermögen des M. eröffnet
wurde, widersprach K. der Abfuhr der noch bei ihm lagernden 3 Schock
Bretter, indem er an denselben aus seinem Verkehr mit M. ein Reten-
tionsrecht geltend machte. S. & Co. hielten dieß für ungerechtfertigt,
weil vie Uebergabe der Bretter an sie bereits erfolgt sei, und klagten
gegen K. auf Herausgabe dieser 3 Schock Stammbretter. —
Archiv für deutsches Handelsrecht. Bd. XIV.
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