250 Handelsr. Entscheidungen aus verschiedenen deutsch. Staaten.
mündlichen Vertrag gegen ein jährliches Salair von 70 Thlr. auf
unbestimmte Zeit engagirt; und denselben am 10. Juli 1862, also
unter Herrschaft des Handelsgesetzbuchs, ohne vorherige Kün-
digung entlassen. Der letztere hielt den Principal hierzu nicht für
berechtigt, und forderte Entschädigung nach Art. 61 H.-G.-B. Das
Stadtgericht und Kammergericht zu Berlin haben ihn ab-
gewiesen. Auch das Obertribunal hat seine Nichtigkeitsbeschwerde
verworfen, indem es ausführt:
„Der § 11 Publ.-Patent vom 5. Febr. 1794, durch welchen das
allg. L.-R. am 1. Juni 1794 Gesetzeskraft erhalten hat, lautet:
„Es sind daher insonderheit alle Verträge, welche vor dem
1. Juni 1794 errichtet worden, sowohl ihrer Form und
Inhalte nach, als in Ansehung der daraus entstehenden
rechtlichen Folgen nur nach den zur Zeit des geschlosse-
nen Contracts bestandenen Gesetzen zu beurtheilen, wenn-
gleich erst später auf Erfüllung, Aufhebung oder Leistung
des Interesse aus einem solchem Vertrage geklagt wurde."
Eine gleiche Bestimmung ist auch in dem § 5 der späteren Publ.
Patente von 1803 und 1814 enthalten. Wenngleich nun allerdings
diese Paragraphen sich nur auf die Einführung resx. Wiedereinfüh-
rung des allg. Landrechts beziehen, so ist doch der in ihnen aus-
gesprochene Rechtsgrundsatz unbedenklich als ein allgemeiner
Rechtsgrundsatz anzusehen, welcher in gleicher Weise auch auf
alle neueren Gesetze, insofern nicht in diesen besondere Ausnahmen
gemacht sind, volle Anwendung finden muß. Das ergibt namentlich
auch der § 14 Einl. allg. Landrecht, indem derselbe bestimmt:
„Neue Gesetze können auf schon vorhin vorgefallene Hand-
lungen und Begebenheiten nicht angewendet werden."
Der vorliegende, unter der Herrschaft des allg. Landrechts
abgeschlossene Engagements-Vertrag ist also auch rücksichts der
Erfüllung, Aufhebung und Leistung des Interesse nach den Bestim-
mungen des allg. Landrechts zu beurtheilen. Danach mußte aber
der Vertrag wegen der Höhe des auf 70 Thlr. verabredeten Salairs
schriftlich geschlossen werden (Thl. I, Tit. 11, § 869 fg.; Thl. I,
Tit. 5, §131. 136). Da dieß nicht geschehen ist, so konnte jeder
Theil beliebig und zu jeder Zeit vom Vertrage zurücktreten
(Thl. I, Tit. 5, § 165—168). Der Beklagte konnte also am 10. Juli