270 Ueber Versteigerungen, insonderheit im Gebiete deS Handelsrechts.
Dieser streitige Grundsatz ist nicht einmal für die wirkliche indiena
addictio anzuerkennen. Auch der unter einer solchen Bedingung
geschlossene Vertrag ist vom Moment des Abschlusses an vollkommen
bindend für alle Theile. — Aus einem anderen Grunde hat neuer-
dings Gad (bei Gruchot, Beiträge z. Erl. des preuß. Rechts, Bd. 3,
S. 195) schon für das gemeine Recht jene Meinung verfochten. Er sagt:
„Wäre der Kauf mit dem Eintreten des Bieters abgeschlossen,
oder auch der Versteigerer nur unbedingt verpflichtet, den
Zuschlag zu ertheilen, so würde dieß eine für unzulässig zu er-
achtende Verpflichtung gegen eine persona incerta enthalten.
Demnach kann erst der ertheilte Zuschlag den Kauf voll-
enden."
Bei der Versteigerung ist indessen von einer Verpflichtung einer
persona incerta gegenüber, wie in den von Gad allegirten Quellen-
stellen 17), nicht die Rede. Jedes Gebot macht die persona incerta
zur certa. Nur die Proposition geschieht an eine incerta persona,
und es ist zuzugeben, daß diese Einleitungsform für die stipulatio
nicht paßt. Im heutigen gem. Recht aber steht nichts im Wege,
dieselbe für zulässig zu halten; hat sich doch auch die gemeine Meinung
für die Rechtsverbindlichkeit der sogenannten Auslobungen entschieden.
(S. Holzschuher a. a. O. S. 260; a. L.-R. I. 11,
8 988 fg.)
Auch das Erforderniß des Zuschlags bei Versteigerungen unter
öffentlicher Autorität und die Gewohnheit eines solchen bei Privat-
versteigerungen ist noch kein sicheres Zeichen dafür, daß bis zu diesem
Zeitpunkte die Perfeetion des Vertrages hinausgeschoben ist. In L.
15, § 6 D. de re jud. (42, 1) werden zwar die Addiction des Pfan-
des und die Perfeetion des Kaufes parallelisirt, aber nicht in dem
Sinne, daß beide schlechterdings an einander gebunden und in ihren
Wirkungen identisch wären. Es ist vielmehr auch die Auffassung
17) L. 10. D. stip. serv. (45, 3): Titio decem aut Maevio fundum dare
spondes? L. 21. ib.: Kal. Jan. decem Titio aut Maevio dominis, uter eorum
tunc vivet, dare spondes ?
18) L* 15, § 6. de re jud. (42, 1): Si post addictum pignus aliqua contro-
versia emtori moveatur, an sit cognitio ejusdem judicis, qui sententiam exse-
cutus fuerit, videndum est: et quum semel emtio perfecta sit, eiusque, qui
comparavit, periculum versatur, non puto locum esse cognitioni.