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ohne Rücklicht auf die Formen des Prozesses.
Wissenschaft seiner Zeit untertha» strebt er nach einer ge.
wissen Einheit der Begriffe und deS jetzigen Lebens, und
weder die abstraete Richtung deS österreichischen Rechts
noch die unklare Casuistik deS preußischen RechtS, noch
der PedantismuS der deutsche« Theoretiker habe« daS Le-
ben so kräftig aufgefaßt.
Immerhin muß das Conerete des französischen RechtS
in sich und nach dem französischen Prozesse beuriheilt wer-
den, und eS scheint unS, obgleich wir, wenn auch im ba.
dischcn Lande lebend, diese Sache nicht kennen, sehr zu
bezweifeln, ob man im Ernste bei der neuen badischen Pro.
zeßordnung erwogen habe, ob das deutsche Princip der
Prozeßführung dem französischen gegenüber passend sey.
Man ist vielmehr hier der Erfahrung gefolgt, da man daS
französische Recht schon seit dem Jahre 1810. nach dem
gemeinen deutschen Prozesse anwendete.
Während der badische Jurist in seinem deutschen Land,
rechte und in seiner deutschen Prozeßordnung bald einen
buchstäblichen Ucberblick seines RechtS erlangt; ist cS
umgekehrt schwer, ihm einen wissenschaftlichen Uebcr.
blick desselben zu gewähren: während Manches des Land,
recht« zu der Prrozeßordnung keineswegs paßt, muß es sich
doch vertragen im täglichen Leben: während die Masse der
Richter und Advocaten im Großhcrzogthume Baden ihre
prackischcn Kenntnisse und Erfahrungen schwerlich im Ein.
klänge bringen können mit der theoretischen Richtung ihrer
Universitäten und mit den Bestrebungen andrer deutschen
Landesleute: während in keinem Lande der europäischen
Welt eine feinere Kenntniß des RechtS verlangt wird, wie
in Baden: wird auch dieser äußerste Zustand der Dinge ein
Sporn sein, durch historische Unterscheidung, praktische Er.
fahrung, römischen Sinn, deutschen Karaktcr und durch
die Bestrebung wenn auch Weniger Männcl dem deutschen
Leben eine neue Weihe seiner Wissenschaft zu geben.